Der EuGH hat in der Rechtssache C‑80/19 Gelegenheit gehabt sich mit dem Begriff gewöhnlicher Aufenthalt auseinander zu setzen. Hierzu führt er aus:
"Hierzu ist festzustellen, dass der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes“ im Sinne der Verordnung Nr. 650/2012 zwar in keiner Bestimmung definiert wird, jedoch die Erwägungsgründe 23 und 24 nützliche Hinweise enthalten.
Nach dem 23. Erwägungsgrund dieser Verordnung obliegt es der mit der Erbsache befassten Behörde, den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu bestimmen, wobei diese Behörde sowohl den Umstand, dass der allgemeine Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ist, als auch sämtliche Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes zu beachten hat und dabei alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigen hat, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte eine besonders enge und feste Verbindung zwischen dem Nachlass und dem betreffenden Staat erkennen lassen.
Insoweit sind im 24. Erwägungsgrund der Verordnung verschiedene Fälle aufgeführt, in denen es sich als komplex erweisen kann, den gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines Staates oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in diesem Staat, so könnte – wie es im letzten Satz dieses Erwägungsgrundes heißt – seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat.
Daraus folgt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers von der mit der Erbsache befassten Behörde anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls in einem einzigen Mitgliedstaat festzulegen ist.
Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat und wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, würde eine Auslegung der Verordnung Nr. 650/2012, wonach der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes in mehreren Mitgliedstaaten festgelegt werden könnte, zu einer Nachlassspaltung führen, da der gewöhnliche Aufenthalt das Kriterium für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften der Art. 4 und 21 dieser Verordnung darstellt, nach denen sich sowohl die Zuständigkeit der Gerichte für den gesamten Nachlass als auch das nach der Verordnung auf den gesamten Nachlass anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt richten. Eine solche Auslegung wäre daher mit den Zielen dieser Verordnung unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Oktober 2017, Kubicka, C‑218/16, EU:C:2017:755, Rn. 57, und vom 21. Juni 2018, Oberle, C‑20/17, EU:C:2018:485, Rn. 53 bis 55)."
Anmerkung:
Die Entscheidung stellt klar, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der EuErbVO haben kann.
Weitere Informationen zum Begriff gewöhnlicher Aufenthalt finden Sie in unseren Beiträgen Internationale Zuständigkeit in Erbsachen nach der EuErbVO und Anwendbares Erbrecht nach der Europäischen Erbrechtsverordnung.
Glossar: Gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne der EuErbVO