FG Münster: Ausschüttungen aufgrund der Auflösung eines US-amerikanischen Trusts als Einkünfte aus Kapitalvermögen

Das FG Münster hat mit Urteil vom 23.03.2023 - 1 K 2478/21 E entschieden, dass die bei der Auflösung eines "intransparenten" US-amerikanischen Trusts ausgeschütteten Vermögenswerte nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 iVm S. 1 Hs. 2 iVm Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbar sein können. Die Revision wurde zugelassen. Da keine Revision eingelegt wurde, ist das Urteil rechtskräftig. 

Auszug aus den Gründen

"a) Die beiden Trusts sind im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG mit inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen vergleichbar.

aa) Maßgeblich für die Vergleichbarkeit in diesem Sinne ist der Typenvergleich. Danach müssen ausländische Gebilde ungeachtet einer ggf. nach ausländischem Recht bestehenden Rechtspersönlichkeit einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt entsprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.2019 - I R 33/17, BFH/NV 2021, 157). Mit Urteil vom 25.6.2021 (II R 31/19, BStBl. II 2022, 497) hat der BFH zur erbschaftsteuerlichen Behandlung eines US-Trusts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG entschieden, dass die für ausländische Stiftungen entwickelten Grundsätze gleichermaßen für angloamerikanische Trusts gelten. Entscheidend ist jeweils die konkrete Ausgestaltung (vgl. Rengers in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 1 KStG, Rn. 145a).

bb) Bei einem Trust gibt es nach dem BFH-Urteil vom 5.11.1992 (I R 39/92BStBl. II 1993, 388) für die Zurechnung des Vermögens und der daraus resultierenden Einkünfte grundsätzlich drei Möglichkeiten. Eine Zurechnung kann zum Gründer, zu den Begünstigten oder zum Trusts selbst erfolgen. Maßgeblich für die Beurteilung sind die Weisungsbefugnisse und die Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer. Ist der Trust Zwischenerwerber, ist für Zwecke der Erbschaftsteuer der Vermögenserwerb aufschiebend bedingt und wird unmittelbar vom Gründer an den Anfallsberechtigten angenommen. Die Einkünfte erzielt dann der Trust selbst. Diese Grundsätze gelten auch für den Bereich der Ertragsteuern (BFH-Urteil vom 20.7.1971 - VIII 24/65BStBl. II 1972, 170). Dementsprechend kann ein Trust grundsätzlich nach deutschen Besteuerungsmaßstäben entweder als intransparent oder als transparent behandelt werden (Tischendorf, IStR 2022, 445, 450), wobei bei transparenter Ausgestaltung der weit gefasste Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG erfüllt ist (so Werder/Wystrcil, BB 2015, 412, 418, die dann aber Zweifel an einer Vergleichbarkeit der Leistungen mit Gewinnausschüttungen äußern).

cc) Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall sind das Vermögen und die Einkünfte während der Dauer des Bestehens der beiden Trusts den Trusts zuzurechnen. Eine Zurechnung auf die beiden Gründer (Großvater bzw. Vater der Klägerin) kommt nicht in Betracht, da diese nach den Vereinbarungen keinerlei Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse mehr über das übertragene Vermögen hatten. Sie konnten keinen Einfluss auf die Verwaltung nehmen und die Vermögensübertragungen auch nicht mehr rückgängig machen (sog. "irrevocable Trusts"). Eine Zurechnung auf die Begünstigten (Klägerin und Geschwister bzw. deren Nachkommen) scheidet ebenfalls aus, weil diese erst nach dem Tod des Vaters das dann vorhandene Vermögen übertragen bekommen sollten. Während der Dauer des Bestehens der beiden Trusts hatten sie keinen Zugriff auf das Vermögen und auch nicht auf die Erträge. Dementsprechend muss von einer Verselbstständigung der Trusts ausgegangen werden.

dd) Nach deutschem Verständnis hätten die Trusts auch zunächst die laufenden Erträge erzielt. Soweit diese an den Vater ausgezahlt wurden, hätte er diese - persönliche Steuerpflicht unterstellt - im Zuflusszeitpunkt versteuern müssen. Eine unmittelbare Zurechnung der laufenden Erträge zum Vater der Klägerin kommt nicht in Betracht, da ihm lediglich die Nettoerträge zustanden und jede Auszahlung eine Ermessensentscheidung der Trustees voraussetzte. Es erfolgte gerade keine unmittelbare Weiterleitung der Erträge an den Vater. Beim Trust Großvater setzte eine Auszahlung an den Vater zusätzlich eine Erforderlichkeitsprüfung für den Unterhalt und die Unterstützung des Vaters voraus.

ee) Die hiergegen von den Klägern erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Soweit sie vortragen, dass inländische Körperschaften typischerweise nicht mit dem Tod einer Person endeten und das Stiftungsrecht bestimmte Laufzeiten vorsehe, betrifft dies generell die Vergleichbarkeit von Trusts mit inländischen körperschaftsteuerpflichtigen Subjekten. Dies hat jedoch die Rechtsprechung - wie dargelegt - nicht dazu veranlasst, Trusts generell als nicht vergleichbar anzusehen. Auch der Zweck der beiden Trusts, den Generationenübergang zu regeln und zu sichern, spricht nicht gegen eine Behandlung als intransparentes und damit als mit inländischen Körperschaftsteuersubjekten vergleichbares Gebilde. Wenn für die Zweckerreichung ein "irrevocable trust" gewählt wird, der nach inländischen Maßstäben als wirtschaftlich selbstständig anzusehen ist, greifen hierfür auch die entsprechenden inländischen Regelungen ein.

b) Die von der Klägerin im Rahmen der Auflösung der beiden Trusts erhaltenen Bezüge fallen dem Grunde nach auch unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG, da sie mit der Verteilung des Endvermögens nach Auflösung einer Körperschaft vergleichbar sind. Da § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG ausdrücklich auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG verweist, müssen die Auszahlungen entweder mit einer Gewinnausschüttung oder mit Bezügen, die nach der Auflösung einer Körperschaft anfallen und die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital oder Rückzahlungen aus dem steuerlichen Eigenkapitalkonto bestehen, vergleichbar sein. Unter welchen Voraussetzungen eine derartige Vergleichbarkeit vorliegt, ist bislang nicht endgültig geklärt.

aa) Die Gesetzesbegründung legt ein weites Verständnis der Vergleichbarkeit nahe. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG wurde durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 433) mit dem Zweck eingeführt, eine Gleichbehandlung der hinter den dort genannten Vermögensmassen stehenden Personen mit Anteilseignern von Kapitalgesellschaften zu erreichen, was nach dem Systemwechsel vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren geboten erschien, da der abgesenkte Körperschaftsteuersatz für alle Körperschaften gleichermaßen gilt (BR-Drs. 90/00, S.161 f.). Die ausdrückliche Einfügung des Erfordernisses der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3858) sollte nur eine Klarstellung und keine Erweiterung des Steuertatbestands sein. Eine mit einer Gewinnausschüttung vergleichbare Leistung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG soll nach der Gesetzesbegründung beispielsweise dann nicht vorliegen, wenn ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter Verein in Erfüllung seiner allgemeinen satzungsmäßigen Aufgaben Leistungen an Mitglieder auf Grund von Beiträgen im Sinne von § 8 Abs. 5 KStG erbringt, die von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder nach der Satzung zu entrichten sind. Diese Leistungen sind nicht mit einer Gewinnausschüttung vergleichbar, da sie allgemein mit den Mitgliedsbeiträgen abgegolten sind (BT-Drs. 14/6882, S. 35).

bb) Der BFH geht unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zum UntStFG vom 20.12.2001 (BT-Drs. 14/6882, S. 35) davon aus, dass nur solche Leistungen nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst sein sollen, denen im weitesten Sinne eine Gegenleistung des Leistungsempfängers (z.B. in Form eines Mitgliedsbeitrags bei einem Verein) gegenübersteht. Demgegenüber spielt es keine Rolle, ob der Leistungsempfänger am Vermögen beteiligt ist, sodass es unbeachtlich ist, ob die Leistungsempfänger (im dortigen Streitfall Destinatäre einer Stiftung) rechtlich die Stellung von Anteilseignern innehaben; ausschlaggebend ist, ob ihre Stellung wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Jedenfalls dann, wenn die Leistungsempfänger - ähnlich wie Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung - unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können, sind die Leistungen wirtschaftlich mit Gewinnausschüttungen vergleichbar (BFH-Urteil vom 3.11.2010 - I R 98/09BStBl. II 2011, 417).

cc) In der Literatur wird aus dem angeführten BFH-Urteil vom 3.11.2010 (I R 98/09BStBl. II 2011, 417) teilweise gefolgert, dass Zahlungen an die Destinatäre einer Stiftung nur dann Leistungen darstellen, die mit Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, wenn die Destinatäre unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können (Bleschick in: Kirchhof/Seer, EStG, § 20, Rn. 61; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20, Rn. C/9-14; Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 20 EStG, Rn. 338a). Zweifel an einer Vergleichbarkeit äußern auch Werder/Wystrcil (BB 2015, 412, 418) im Hinblick auf die bei Trusts fehlende mitgliedschaftliche, kapitalmäßige Beteiligung.

dd) Demgegenüber legt das FG Hamburg im Urteil vom 20.8.2021 (6 K 196/20, EFG 2022, 241; Rev. BFH VIII R 25/21) das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit weit aus. Der Gesetzeswortlaut verlange keine Einflussnahme auf die Zahlung. Bezogen auf eine Stiftung solle nach der Intention des Gesetzgebers die Verteilung der im Rahmen des Stiftungszwecks erwirtschafteten Überschüsse an die im Stiftungszweck benannten Begünstigten als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sein. Insofern könne § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht nur auf diejenigen beschränkt bleiben, die die Stiftung errichtet haben oder als Organe der Stiftung fungieren. Anderenfalls könne es zu sogenannten "weißen Einkünften" kommen, was die Gleichstellung von Stiftungen mit Kapitalgesellschaften konterkarieren würde. Zuwendungen, die der Satzung entsprächen, seien nicht der Schenkungsteuer, sondern der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Ähnlich argumentiert auch das Hessische FG im rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 25.5.2021 (10 K 707/20, EFG 2021, 1540), wonach es für die Frage, ob(Einmal-)Zahlungen einer ausländischen Familienstiftung mit Gewinnausschüttungen vergleichbar sind, ausschließlich darauf ankomme, ob der Auskehrung eine Gegenleistung des Begünstigten gegenüberstand.

ee) Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um eine Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen, sondern um eine solche mit Auskehrungen des Endvermögens nach Auflösung. Eine derartige Vergleichbarkeit liegt nach Auffassung des Senats bei den beiden Trusts vor.

(1) § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG wurde erst mit dem mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) eingefügten Verweis auf Abs. 1 Nr. 2 dahingehend erweitert, dass zusätzlich die Verteilung des Endvermögens bei Auflösung erfasst wird. Laut Gesetzesbegründung seien diese mit Gewinnausschüttungen wirtschaftlich vergleichbar und es solle sich bei dem Verweis lediglich um eine Klarstellung handeln (BR-Drs. 622/06, S. 81 und BT-Drs. 16/2712, S. 49). Dass der BFH der Gesetzesbegründung im Hinblick auf die Frage der Klarstellung nicht gefolgt ist mit der Folge, dass im Urteil vom 28.2.2018 im dortigen Streitjahr 2005 die Auskehrung des Liquidationsendvermögens einer Stiftung nicht steuerbar war (VIII R 30/15, BFH/NV 2018), ist im Streitfall, der das Jahr 2016 betrifft, nicht von Bedeutung. Im Übrigen hat die fehlerhafte Gesetzesbegründung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes.

(2) Die Auskehrung von Vermögen der Trusts nach deren Auflösung ist unabhängig davon, ob die Begünstigten an der Auflösung mitwirken oder nicht, mit der Auskehrung von Liquidationsguthaben einer Kapitalgesellschaft vergleichbar. Die Liquidation einer Körperschaft setzt deren Auflösung voraus, nach der sie in die Liquidationsphase eintritt. Als Auflösung der Körperschaft ist eine solche im handelsrechtlichen Sinne gemäß §§ 262289 des Aktiengesetzes (AktG), § 60 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu verstehen. Eine Körperschaft kann kraft Gesetzes oder durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst werden (Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG, Anm. 123; Bleschick in: Kirchhof/Seer, EStG, § 20, Rn. 58). Danach kann eine Auflösung nicht nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen (Auflösung der GmbH nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG durch Gesellschafterbeschluss; Auflösung der AG durch Beschluss der Hauptversammlung, § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Vielmehr kennt das Gesetz auch Auflösungsgründe, die deren Mitwirkung nicht erfordern, z.B. Zeitablauf (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, § 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG), gerichtliches Urteil (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG). An dem Umstand, dass bei den beiden streitbefangenen Trusts eine Mitwirkung der Begünstigten für die Auskehrung des Vermögens nicht erforderlich war, weil bereits in den Gründungsurkunden geregelt war, dass diese mit dem Tod des Vaters der Klägerin aufzulösen waren, kann danach eine Vergleichbarkeit mit der Auskehrung von Liquidationsguthaben bei Kapitalgesellschaften nicht scheitern.

(3) Darüber hinaus sind die von der Klägerin erhaltenen Bezüge auch wirtschaftlich mit Auskehrungen von Liquidationsguthaben vergleichbar. Bei den Begünstigten kommt das an, was die Trusts aus den eingelegten Vermögenswerten erwirtschaftet haben, sei es durch Wertsteigerungen oder durch Erträge. Das Anfangsvermögen (dessen Ermittlung sich im Streitfall als schwierig erweist) wird abgezogen, da die Rückzahlung von Stammkapital bzw. aus dem steuerlichen Einlagekonto auch bei Kapitalgesellschaften nicht zu versteuern ist. Vor diesem Hintergrund der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit hält es der Senat - entgegen der Auffassung der Kläger - auch nicht für entscheidungserheblich, dass das Vermögen der Trusts an die Begünstigten verteilt wurde und nicht vorher eine Verwertung stattgefunden hat, nach der lediglich Geld für eine Verteilung zur Verfügung gestanden hätte.

c) Dass die Trusts selbst nicht gewerblich tätig waren, führt - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht zum Ausschluss des Tatbestands des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Dem Gesetzeswortlaut ist eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Auch die Gesetzessystematik lässt eine Unterscheidung der Bezüge nach der Einkunftsart der Körperschaft nicht zu. Vielmehr verweist § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens grundsätzlich auf die Vorschriften des EStG. Daraus folgt, dass auch die Vorschriften des EStG über die Ermittlung der Überschusseinkünfte dem Grunde nach anzuwenden sind, wenn unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 KStG Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) erzielen (Pfirrmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Anm. 22). Dementsprechend wird für die Ebene der Besteuerung der hinter der Körperschaft stehenden Personen nach § 20 EStG ebenfalls grundsätzlich keine Unterscheidung dahingehend getroffen, welche Einkunftsart die Körperschaft erzielt hat. Dass § 8 Abs. 2 KStG für bestimmte Körperschaftsteuersubjekte eine Fiktion gewerblicher Einkünfte vornimmt, ändert daran nichts.

d) Schließlich führt der Umstand, dass der Vermögenserwerb bei Auflösung eines Trusts bereits vom Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als unentgeltlicher Vorgang erfasst wird, nicht zu einem tatbestandlichen Ausschluss des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Ein derartiger Ausschluss ist gesetzlich nicht vorgesehen und wird vielmehr vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen (vgl. BFH-Urteile vom 25.6.2021 - II R 31/19, BStBl. II 2022, 497 und II R 32/19, BFH/NV 2022, 595).

2. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der für das Streitjahr 2016 gültigen Fassung verstößt nicht gegen Art. 25 Abs. 4 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487). Diese Regelung definiert den Begriff der "Meistbegünstigung" und regelt, dass u.a. Staatsangehörige und Gesellschaften des einen Staates im anderen Staat nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als solche irgendeines dritten Landes. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG hiergegen verstoßen soll. Die Vorschrift behandelt vielmehr alle Gesellschaften und deren Anteilseigner unabhängig vom Sitz der Gesellschaft und von der Staatsangehörigkeit des Gesellschafters gleich.

3. Gegen die Anwendung von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der für das Streitjahr 2016 gültigen Fassung bestehen mit Blick auf die Doppelbelastung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG einerseits und Einkommensteuer anderseits keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Eine Doppelbelastung beider Steuerarten ist nach der BFH-Rechtsprechung unbedenklich, wie sich an der Existenz der Vorschrift des § 35b EStG zeigt. Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz des Inhalts, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt und dass Lücken sowie eine mehrfache Besteuerung des nämlichen Sachverhalts vermieden werden müssten. Kommt es zu Doppelbelastungen bei folgerichtiger Ausgestaltung jeder Einzelsteuer, ist das unvermeidlich und nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat insoweit konsequent die Doppelbelastung durch Schenkungsteuer und Einkommensteuer einschließlich der damit verbundenen Härten grundsätzlich in Kauf genommen. Dementsprechend hat der BFH mit Urteilen vom 25.6.2021 (II R 31/19, BStBl. II 2022, 497 und II R 32/19, BFH/NV 2022, 595 jeweils m.w.N.) zur erbschaftsteuerlichen Behandlung angloamerikanischer Trusts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG entschieden, dass keine Bedenken gegen die Doppelbesteuerung mit beiden Steuerarten bestehen. Der Senat schließt sich der aus seiner Sicht überzeugenden Begründung dieser BFH-Rechtsprechung an und folgt deshalb nicht der hiergegen in der Literatur geäußerten Kritik (Tischendorf, IStR 2022, 489, 491 ff.).

b) Im Streitfall kommt hinzu, dass auch keine Übermaßbesteuerung erkennbar ist. Der Trust Vater wurde durch den Freistellungsbescheid des Finanzamts N-Stadt vom 9.6.2017 vollständig von der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer befreit. Die Auskehrungen des Trusts Großvater an die Klägerin wurden (nach Abzug des Freibetrags von 400.000 €) mit 15 % der Schenkungsteuer und (nach Abzug des - geschätzten - Anfangsvermögens) dem Einkommensteuersatz von 25 % unterworfen. Damit verblieben der Klägerin nach Steuern noch mehr als 60 % der Auskehrungen des Trusts Großvater.

4. § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 i.V.m. Satz 1, 2. Halbs. i.V.m. Nr. 2 Satz 2 EStG verstößt jedoch gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, soweit Wertsteigerungen aus Trusts erfasst werden, die bis zum Zeitpunkt der Verkündung des JStG 2010 am 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768) entstanden sind (dazu unter a). Die Verfassungswidrigkeit ist durch verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zu beseitigen (dazu unter b).

a) § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 i.V.m. Satz 1 2. Halbs. i.V.m. Nr. 2 Satz 2 EStG ist in seiner Anwendung auf den Streitfall im Hinblick auf bis zum 8.12.2010 aufgelaufene Wertsteigerungen und Erträge verfassungswidrig.

aa) Eine echte Rückwirkung liegt nicht vor. Das Grundgesetz (GG) normiert ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot nur für das Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG). Außerhalb des Strafrechts beruht das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze auf den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen sowie den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. (BVerfG-Beschlüsse vom 25.3.2021 - 2 BvL 1/11BVerfGE 157, 177 und vom 7.12.2022 2 BvR 988/16, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall wurde der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erst mit der Vermögensübertragung an die Klägerin im Streitjahr 2016 verwirklicht. Die Steuer ist erst mit Ablauf des Jahres 2016 entstanden (§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG). Das Gesetz war zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren in Kraft.

bb) § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG entfaltet aber eine sog. unechte Rückwirkung in Bezug auf vor der Gesetzesverkündung am 8.12.2010 bereits entstandene Wertsteigerungen.

(1) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine unechte Rückwirkung vor.Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an bereits ins Werk gesetzte Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Auch wenn in den Fällen unechter Rückwirkung der Vertrauensschutz - anders als bei der echten Rückwirkung - nicht regelmäßig Vorrang hat, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Der Normadressat muss eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. (BVerfG-Beschlüsse vom 25.3.2021 - 2 BvL 1/11BVerfGE 157, 177 und vom 7.12.2022 - 2 BvR 988/16WM 2023, 561, jeweils m.w.N.).

Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründet keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position. Mit Wertsteigerungen kann im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden, sodass auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige steuerfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten ist (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010 - 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05, BStBl. II 2011, 76, Rn. 64 und 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86 Rn. 52). Dementsprechend sind Wertsteigerungen, die erst nach Verkündung des Gesetzes eintreten, vom Vertrauensschutz nicht erfasst. Die Verlängerung der Spekulationsfrist in § 23 EStG und die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in §°17 EStG begegnet demnach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit diese in der Zukunft erwirtschaftete Wertzuwächse erfassen.

Dies ist jedoch anders zu beurteilen für solche Wertsteigerungen, die bis zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes steuerfrei hätten realisiert werden können. Insoweit ergibt sich ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf aus dem Erwerb eines konkreten Vermögensbestands durch den Ablauf der Zweijahresfrist bei Grundstücken bzw. dem Entstehen zwischenzeitlicher Wertzuwächse beim Halten von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von bis zu 25% (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010 - 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05, BStBl. II 2011, 76, Rn. 66 und 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86 Rn. 54). Die bloße Absicht, mehr staatliche Einkünfte zu erzielen, ist für sich genommen grundsätzlich noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Gemeinwohlinteresse; denn dies würde bedeuten, dass der Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Steuerverschärfungen der Steuerrechts praktisch leerliefe (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010 - 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05, BStBl. II 2011, 76, Rn. 75 und 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86 Rn. 60 vom 25.3.2021 2 BvL 1/11BVerfGE 157, 177, Rn. 87). Auch Aspekte der Missbrauchsbekämpfung und die Schließung von Besteuerungslücken stellen keine Rechtfertigungsgründe dar (BVerfG-Beschluss vom 7.7.2010 - 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86 Rn. 61 f.).

(2) Im Streitfall hatte die Klägerin bis zur Einführung des am 8.12.2010 verkündeten Gesetzes eine gefestigte Vermögensposition im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG inne.

(a) Die Klägerin war laut den Gründungsurkunden der Trusts eine der Begünstigten. Weder die Gründer noch andere Personen hatten hinsichtlich des Trustvermögens die Möglichkeit, den Trusts das Vermögen oder der Klägerin ihre Eigenschaft als Begünstigte zu entziehen. Im Streitfall kommt verschärfend hinzu, dass die Klägerin zu Lebzeiten ihres Vaters keinerlei Möglichkeit hatte, über das Trustvermögen zu disponieren und damit auf eine anstehende Gesetzesänderung - etwa durch vorzeitige Kündigung des Trusts oder Veräußerung ihres "Anteils" - zu reagieren. Der Zuflusszeitpunkt der Einkünfte hing ausschließlich vom Tod ihres Vaters ab.

(b) Entgegen der Auffassung des Beklagten schließt die Möglichkeit des Todes der Klägerin vor dem Tod ihres Vaters die Annahme einer konkret verfestigten Vermögensposition in diesem Sinne nicht aus. In diesem Fall wären ihre Kinder als Rechtsnachfolger in die Vermögensposition der Klägerin eingetreten. Insoweit besteht kein Unterschied zu den vom BVerfG entschiedenen Fällen. Auch der Eigentümer eines Grundstücks oder der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hätte vor einer (geplanten) Veräußerung versterben können. In diesem Fall hätten sich seine Rechtsnachfolger ebenfalls auf Vertrauensschutz berufen können. Dabei ergibt sich nach Auffassung des Senats kein Unterschied daraus, ob die Rechtsnachfolge bereits in den Gründungsurkunden angeordnet ist oder durch Erbfall (gesetzliche oder testamentarische) Gesamtrechtsnachfolge eintritt.

(c) Dass die Klägerin keine zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Position innehatte, schließt - entgegen der Auffassung des Beklagten - eine hinreichend verfestigte Vermögensposition ebenfalls nicht aus. Maßgeblich für die Verwirklichung des Tatbestands des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG ist die wirtschaftliche Verselbstständigung der Trusts und die daraus folgende Vergleichbarkeit mit inländischen steuerpflichtigen Körperschaften. Wenn das Gesetz die Klägerin danach wie die Gesellschafterin einer steuerpflichtigen Körperschaft behandelt, kann für die Prüfung des Vertrauensschutzes nichts anderes gelten.

(3) Die Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG ist - soweit die Norm auch Wertsteigerungen und Erträge in der Vergangenheit erfasst und damit Rückwirkung entfaltet - verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

(a) Die Gesetzesbegründung ist für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht ergiebig. Der Gesetzgeber begründet die Einbeziehung ausländischer Körperschaften damit, dass es nicht gerechtfertigt sei, nur Leistungen inländischer Körperschaften zu erfassen. Da Dividenden auch dann dem Grunde nach von § 20 EStG erfasst würden, wenn sie von einem ausländischen Schuldner stammten, müsse sich auch 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG bei vergleichbaren ausländischen Körperschaften hierauf erstrecken (BR-Drs. 318/10, S. 77BT-Drs. 17/2249, S. 52). Eine weitere Begründung, gerade im Hinblick auf die rückwirkende Einbeziehung von Wertsteigerungen und aufgelaufenen Erträgen, enthält die Begründung des Gesetzesentwurfs nicht. Soweit der Gesetzgeber dem Verweis in § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG auf Abs. 2 durch das JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) lediglich klarstellende Funktion beimessen wollte (BR-Drs. 622/06, S. 81 und BT-Drs. 16/2712, S. 49), ist diese Begründung nach Auffassung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, unzutreffend (BFH-Urteil vom 28.2.2018 VIII R 30/15BFH/NV 2018, 857). Vielmehr wurde durch das JStG 2007 erstmals eine Steuerpflicht für die Auskehrung von Liquidationsvermögen begründet. Weitere Rechtfertigungsgründe sind vom Gesetzgeber nicht angegeben worden.

(b) Auch die vom Beklagten angeführten Rechtfertigungsgründe greifen nicht durch. Soweit er darauf abstellt, dass Zahlungen an Destinatäre von Stiftungen bereits seit 1986 nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig seien, trifft dies zwar zu. Allerdings betrifft diese Regelung nur laufende Zahlungen in Form von wiederkehrenden Bezügen und keine Auskehrung des Liquidationsendvermögens. Die Erfassung letztgenannter Bezüge mag zwar der Gleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Vorgänge dienen. Letztlich kommt dies aber der Schließung einer Besteuerungslücke gleich, die nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht als Rechtfertigung für eine Rückwirkung ausreicht.

(c) Soweit der Beklagte auf den Gerichtsbescheid des Hessischen FG vom 25.05.2021 (10 K 707/20, EFG 2021, 1540) abstellt, trifft es zwar zu, dass hierin keine verfassungsrechtlichen Zweifel an § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG geäußert wurden. Allerdings betraf der dort entschiedene Sachverhalt nicht die Auskehrung des Endvermögens nach Auflösung der ausländischen Familienstiftung. Das Hessische FG hat vielmehr allein auf § 20 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. Nr. 1 EStG und nicht auf Nr. 2 abgestellt. Die verfassungsrechtliche Problematik ergibt sich im Streitfall hingegen allein aus der Verteilung des Endvermögens, hinsichtlich dessen die Klägerin eine verfestigte Vermögensposition innehatte. Ob - wie der Beklagte meint - im Hinblick auf die Rückwirkungsproblematik eine Gleichbehandlung von Gewinnausschüttungen und der Verteilung des Endvermögens geboten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da es im Streitfall ausschließlich um die Verteilung des Endvermögens geht. Die Frage, ob auch die Erfassung von mit Gewinnausschüttungen vergleichbaren Bezügen aus aufgelaufenen Erträgen (teilweise) verfassungswidrig ist, ist damit nicht entscheidungserheblich.

(d) Der Senat braucht ebenfalls nicht zu entscheiden, ob die Einführung von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG der Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustands im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von Bezügen aus inländischen und ausländischen Körperschaften diente. Zum einen hat der Gesetzgeber selbst nicht auf die Beseitigung einer Verfassungswidrigkeit abgestellt (s.o. unter (a)). Zum anderen hätte eine etwaige verfassungswidrige Ungleichbehandlung auch auf andere Weise beseitigt werden können als durch rückwirkende Besteuerung bereits aufgelaufener Wertsteigerungen. Letztlich ging es dem Gesetzgeber allein um die Schließung einer Besteuerungslücke, die für die Zukunft zulässig ist, aber - wie bereits ausgeführt - keine rückwirkende Einbeziehung einer verfestigten Vermögensposition in die Besteuerung rechtfertigen kann.

(4) Das vom Beklagten angeführte BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 (1 BvR 1236/11BVerfGE 148, 217) steht der Auffassung des Senats nicht entgegen. Im Urteilsfall ging es um die Einführung von § 7 Satz 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen, wodurch Gewinne aus der Veräußerung von Personengesellschaftsanteilen ab 2002 bei der Personengesellschaft der Gewerbesteuer unterworfen wurden. Das BVerfG hat sich in dieser Entscheidung zwar mit der Rückwirkungsproblematik beschäftigt, ist aber nicht auf die Frage eingegangen, ob bis zur Gesetzesverkündung bereits entstandene Wertsteigerungen vertrauensrechtlich geschützt sind.

Daraus zieht der Senat allerdings nicht den Schluss, dass das BVerfG von seinen Beschlüssen vom 7.7.2010 (2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05, BStBl. II 2011, 76 und 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86) abrücken wollte. Dies hätte einer deutlicheren Auseinandersetzung mit der genannten Rechtsprechung bedurft. Vielmehr hat das BVerfG in seinem aktuelleren Beschluss vom 25.3.2021 (2 BvL 1/11BVerfGE 157, 177) die Grundsätze der Beschlüsse vom 7.7.2010 bestätigt und unter deren Zugrundelegung § 11 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbsatz EStG für teilweise verfassungswidrig erklärt. Der Senat hält es für sachnäher, die zur Einkommensbesteuerung des Privatvermögens ergangene BVerfG-Rechtsprechung und nicht das die Gewerbesteuer von Personengesellschaften betreffende Urteil auf den Streitfall anzuwenden, zumal das BVerfG in diesem Urteil die Besonderheiten der gewerbesteuerlichen Behandlung von Mitunternehmerschaften und Körperschaften herausgearbeitet hat (BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 - 1 BvR 1236/11BVerfGE 148, 217, Rn. 27 ff.).

b) Der Senat sieht von einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ab. Vielmehr legt er § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 i.V.m. Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Nr. 2 Satz 2 EStG dahingehend verfassungskonform aus, dass im Fall der Auskehrung des Endvermögens eines ausländischen Trusts nur solche Bezüge erfasst werden, die nach der Verkündung des JStG 2010 am 8.12.2010 entstanden sind.

aa) Dem steht nicht entgegen, dass sich dem Gesetzeswortlaut für eine derartige Auslegung keine Anhaltspunkte entnehmen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und der Fachgerichte (vgl. die Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse, AO,FGO, § 4 AO Rz 355) und nach der ganz herrschenden Lehre sind die Gerichte zur (ergänzenden) Rechtsfortbildung berechtigt und verpflichtet. Führt die wortgetreue Auslegung des Gesetzes ausnahmsweise zu einem sinnwidrigen Ergebnis, besteht also eine Divergenz zwischen dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sind die Gerichte sogar zu einer (gesetzeswortlaut-)abändernden Rechtsfortbildung berufen. Als Instrumente werden hierbei die teleologische Reduktion und die Extension verwendet (BFH-Urteil vom 23.3.2011 - X R 28/09BStBl. II 2011, 753, Rn. 18). Eine verfassungskonforme Auslegung wird von der Rechtsprechung insbesondere in Rückwirkungsfällen vorgenommen. Dies betrifft insbesondere zu weit geratene - und damit verdeckt lückenhafte - Überleitungsbestimmungen, die auch Sachverhaltskonstellationen erfassen, für die der Gesetzgeber - hätte er sie bedacht - zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung eine besondere Anwendungsregelung getroffen hätte. Eine solche verdeckte Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Rechtsfortbildung dadurch zu schließen, dass die verfassungsrechtlich erforderlichen Einschränkungen dem Gesetzeswortlaut hinzuzufügen sind (BFH-Urteil vom 27.3.2012 - I R 62/08BStBl. II 2012, 745, Rn. 18). Dementsprechend nimmt die Rechtsprechung sogar teilweise gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut eine verfassungskonforme Auslegung vor (BFH-Urteil vom 18.6.2009 - VI R 14/07BStBl. II 2010, 816, Rn. 24 f. zur Anwendung des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 5 EStG auf ein Zweitstudium; BFH-Urteile vom 12.12.2000 - VIII R 10/99BStBl II 2001, 282; vom 25.3.2004 - IV R 2/02BStBl. II 2004, 728 und vom 19.10.2005 - I R 34/04BFH/NV 2006, 1099: verfassungskonforme Einschränkung von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG (Bilanzänderung) für Zeiträume vor 1999; BFH-Urteile vom 14.12.2006 - III R 27/03BStBl. II 2007, 332: keine Einschränkung der Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes, wenn mit den Investitionen bereits vor der endgültigen Beschlussfassung der Gesetzesänderung begonnen wurde und vom 23.3.2011 - X R 28/09BStBl. II 2011, 753: Überentnahmen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG des Kalenderjahres 1998 sind nicht zu berücksichtigen).

bb) Im Hinblick auf die mit dem Streitfall und den vom BVerfG am 7.7.2010 entschiedenen Fällen (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010 - 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05, BStBl. II 2011, 76 und 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05, BStBl. II 2011, 86) vergleichbare Absenkung der Beteiligungsgrenze von 10 % auf 1 % in § 17 EStG durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BGBl. I 1433) nimmt sogar die Finanzverwaltung selbst eine verfassungskonforme Auslegung vor (BMF-Schreiben vom 20.12.2010, BStBl. I 2011, 16 unter D.; so auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.2.2012 12 K 10250/09EFG 2012, 1337; Schmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17 EStG Anm. 10; krit. FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2013 13 K 4190/11 E, Juris, Rn. 27).

cc) Der Senat hält im Streitfall eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG dahingehend, dass die Verteilung des Endvermögens nach der Auflösung ausländischer Körperschaften nicht erfasst wird, soweit hierin Wertsteigerungen enthalten sind, die bis zur Gesetzesverkündung am 8.12.2010 entstanden sind, ebenfalls für geboten. Aufgrund der nicht zu rechtfertigenden unechten Rückwirkung im Hinblick auf die Erfassung von Wertsteigerungen vor dem 8.12.2010 ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - hätte er die Rückwirkung erkannt - eine entsprechende Einschränkung des gesetzlichen Tatbestands vorgenommen hätte.

5. Die danach vorzunehmende Steuerminderung beträgt xy €.

a) Die verfassungskonforme Auslegung führt im Streitfall dazu, dass nur die Wertsteigerungen vom 8.12.2010 bis zur Vermögensübertragung an die Klägerin im Jahr 2016 steuerpflichtig sind. Diese betragen - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - www €. Der bislang vom Beklagten angesetzte Betrag in Höhe von kkk € ist danach um fff € und die Steuer beim Steuersatz von 25% (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG) um xy € zu mindern.

b) Aufgrund der vom Senat vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung kommt es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob und ggf. in welcher Höhe zusätzliches Anfangsvermögen anzusetzen ist, nicht mehr an.

c) Eine weitere Minderung hinsichtlich der Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden kommt - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht in Betracht. Für die Veräußerungstatbestände des § 20 Abs. 2 EStG ordnet § 52 Abs. 28 Sätze 11 ff. EStG eine Anwendung nur für solche Anteile bzw. Rechte an, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden. Der vorliegend einschlägige Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG wird von dieser Anwendungsregelung jedoch nicht erfasst."

Anmerkung

Die Frage, in welchen Fällen Ausschüttungen aus einem (US-amerikanischen) Trust einer "Gewinnausschüttung" vergleichbar sind und nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerbar sind, wurde bisher nicht vom BFH entschieden und es bleibt abzuwarten, ob der BFH der Entscheidung des FG Münster folgt. 

Hervorzuheben ist, dass auch nach Auffassung des FG Münster die Rückgewähr von "Einlagen" nicht steuerbar ist - was von einzelnen Stimmen in der Literatur bezweifelt wurde, wenn kein "Einlagenkonto" geführt wird (was bei Trusts regelmäßig nicht der Fall ist). 

Mangels Relevanz nicht erwähnt wurde, dass bereits nach § 15 AStG zugerechnete Einkünfte nicht nochmals nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerbar sind, was sich unmittelbar aus § 15 Abs. 11 AStG ergibt. 

Im Ergebnis führt die Entscheidung zur Besteuerung von nicht-realisierten Wertzuwächsen bei Ausschüttung.

Soweit auch Wertzuwächse von Wertpapieren, die vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden, besteuert werden, erscheint die Argumentation zu formal und führt auch zu Wertungswidersprüchen: Wenn eine Veräußerung während der Verwaltung der Vermögensmasse erfolgt und die Gewinne nach § 15 AStG zugerechnet werden, wären solche Wertzuwächse steuerfrei. Wir meinen, dass die Besteuerung nicht davon abhängen kann, ob die Veräußerung durch den Treuhänder (trustee) während des Bestehens des Trusts erfolgt oder bei Auflösung. Wir meinen daher, dass die Norm dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass nur die (realisierten) akkumulierten Einkünfte bei Ausschüttung zu besteuern sind.

Nicht (ausdrücklich) behandelt wurde das Verhältnis zum DBA-USA-ESt. So wirft die Entscheidung insbesondere die Frage auf, ob Gewinnsteigerungen von Vermögen, die nur die USA besteuern dürfen (z.B. von US-Grundvermögen) bei Versteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG von Deutschland besteuert werden können. Schließlich wurde nicht thematisiert, ob in den USA auf Trust-Ebene gezahlte Steuern angerechnet oder anders berücksichtigt werden können. Ob durch ein Verständigungsverfahren zu diesen Fragen eine praktikable Lösung gefunden werden kann, bleibt abzuwarten. 

Solange diese offenen Fragen nicht geklärt sind, sollte stets erwogen werden vor der Auflösung des Trusts dessen Vermögen mit der Folge, dass eine Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG erfolgt, zu veräußern.  

Ergänzend verweisen wir auf den Beitrag Besteuerung der Einkünfte eines US-amerikanischen Trusts

Do You have any Questions?

We look forward to assisting you. For the sake of simplicity and efficiency, we request that you use our contact form for your inquiry and describe the matter as clearly as possible. In addition, you can include relevant attachments. After submitting your inquiry, we will contact you either by telephone or e-mail within 2 working days. If we can assist, we will suggest a time and date for an initial consultation. Of course, you can also contact this firm or a particular attorney directly to make an appointment for a personal consultation or telephone consultation (find contact details here). Please be advised that no attorney-client relationship is created by sending us an email or filling out this contact form. For information on our fees, please click here.