Amtliche Leitsätze
1. Der gemeinsame Kauf eines Grundstücks zu Miteigentum der Eheleute und dessen Bebauung mit dem Familienwohnhaus kann sich als unbenannte Zuwendung des alleinverdienenden Ehepartners an den anderen darstellen, wenn Kaufpreis und Finanzierungsraten allein von dem Alleinverdienenden aufgebracht werden. In einem solchen Fall ist die hälftige Beteiligung an dem ehezeitlichen Vermögenserwerb auch nicht mit Rücksicht auf den Halbteilungsgrundsatz der Zugewinngemeinschaft dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB entzogen, weil die Interessen des nichtverdienenden Ehepartners im gesetzlichen Güterstand bereits durch den erb- oder güterrechtlichen Zugewinnausgleich berücksichtigt werden.
2. Im Falle eines Pflichtteilsanspruchs begründet bereits ein betragsmäßig unbestimmter Anspruch den Verzug, wenn er im Wege einer sogenannten Stufenmahnung geltend gemacht wird.
Aus den Gründen
Das OLG Schleswig Holstein hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt dem Wortlaut des § 2325 Abs. 1 BGB nach allerdings voraus, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat. Eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB erfordert objektiv eine Bereicherung des Empfängers durch eine unentgeltliche Zuwendung aus dem Vermögen eines anderen und subjektiv eine Einigung von Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit. Diese subjektive Seite lässt sich bei Zuwendungen zwischen Ehegatten in vielen Fällen nicht feststellen, wenn die Zuwendung nämlich von dem Ziel bestimmt wird, zur Verwirklichung und Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Erwartung ihres Fortbestandes beizutragen. So ist es auch in dem vorliegenden Fall und überhaupt typischerweise dort, wo Eheleute gemeinsam ein Hausgrundstück zum Miteigentum erwerben und bebauen, um dort ihr Familienheim zu schaffen, auch wenn der Kaufpreis und die Abzahlung der zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen allein von dem einen Ehegatten aufgebracht werden. Indes hat der BGH in dem grundliegenden Urteil vom 27. November 1991, IV ZR 164/90, NJW 1992, 564 ff, entschieden, dass die sogenannte unbenannte Zuwendung unter Ehegatten im Erbrecht trotz Fehlens des subjektiven Elementes grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln ist, sie also insbesondere auch der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB nicht entzogen ist. Über die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten soll die Grenze, die das Pflichtteilsrecht gerade zum Schutz von Ehe und Familie gezogen hat, nicht zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten verschoben werden. Das Vermögen soll auf diese Weise nicht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass vorbei an den Ehegatten weitergeleitet werden können. b.Im Anschluss an diese BGH-Rechtsprechung ist in der Literatur aber vor allem als problematisch behandelt worden, dass bei ihrer konsequenten Anwendung der gemeinsame Kauf eines Eigenheimes, das von dem alleinverdienenden Ehemann bezahlt wird, weil die Ehefrau typischerweise wegen der Betreuung der Kinder nicht arbeitet, dann eine Zuwendung wäre, die unter § 2325 BGB fallen würde. Es ist gefordert worden, dass diese Zuwendung mit Rücksicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft gerade beim gesetzlichen Regelfall der Zugewinngemeinschaft Bestand haben müsse und dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB zu entziehen sei. Es gehe insoweit um die „legitime Vermögensteilhabe des Ehegatten“, der seinen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft durch Haushaltsführung und Kindererziehung erbringe. Vorgeschlagen worden ist, dass mit Rücksicht auf den Halbteilungsgrundsatz der Zugewinngemeinschaft die hälftige Beteiligung an einem derartigen ehezeitlichen Vermögenserwerb insbesondere beim Kauf eines Eigenheims dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB entzogen sein müsse. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass Erwerb und Abbezahlung des Eigenheimes ein wichtiger Teil der gemeinsamen ehelichen Lebensleistung sei und dieser Teil dann auch später den etwaigen Ansprüchen der Kinder aus § 2325 BGB standhalten müsse (etwa Langenfeld, NJW 1994, 2133, 2135; Klingelhöffer, NJW 1993, 1097, 1100; Worm, RNotZ 2003, 535, 541; Morhard, NJW 1987, 1734; Kues, FamRZ 1992, 924, 925 f). Indes ist jedenfalls in der neueren Literatur weitgehend anerkannt, dass die zitierten Stimmen deutlich der Konzeption des BGH im dem grundlegenden Urteil vom 27. November 1991 widersprechen. Der BGH hat in dieser Entscheidung die zuvor bereits von Morhard entwickelte Auffassung einer ergänzungsfreien Zuwendung bis zur Höhe des rechnerischen Zugewinnausgleichs gerade verworfen (ebenso Pawlytta, in Mayer/Süß u.a., Handbuch Pflichtteilsrecht, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 56 unter Verweis auf das genannte BGH-Urteil, dort Rn. 19 bei juris, wo Morhard vom BGH gerade als abweichende Meinung zitiert wird). Der Rückgriff der genannten älteren Literaturmeinung auf den Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs überzeugt deshalb nicht, weil die Interessen des nichtverdienenden Ehegatten bereits im gesetzlichen Güterstandsrecht durch den erb- oder güterrechtlichen Zugewinnausgleich (stets bei Beendigung des Güterstandes) berücksichtigt werden. Die Auffassung der Literaturmeinung würde demgegenüber zu einer Doppelbegünstigung des überlebenden und zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten führen. Auch der Rückgriff auf das Unterhaltsrecht kann nicht überzeugen, denn unterhaltsrechtlich schuldet der alleinverdienende Ehegatte nicht Vermögensbildung für den anderen Ehepartner, sondern - etwa in Bezug auf die Wohnung - nur die Befriedigung des Grundbedarfs der Ehefrau und der Familie, sei es durch Anmietung einer Familienwohnung oder durch Zur-Verfügung-Stellung einer erworbenen Immobilie zur Nutzung. Vor diesem Hintergrund folgen aktuell - auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit - die überwiegenden Kommentatoren der Auffassung des BGH (etwa Birkenheier in jurisPK - BGB, 6. Aufl. 2012, § 2325 Rn. 66; Mayer in Beck'scher Onlinekommentar zum BGB, Bamberger/Roth, Stand 01.05.2013, § 2325 Rn. 10; Pawlytta, a.a.O., § 7 Rn. 52, 56; Riedel in Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 2325 Rn. 61)
Anmerkung:
Das Urteil schafft Klarheit und ist daher im Grundsatz zu begrüßen.
Wichtig ist allerdings zu betonen, dass nach der Rechtsprechung keine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt, wenn die Zuwendung sich im konkreten Fall als
- Vergütung für langjährige Dienste darstellt,
- wenn sie unterhaltsrechtlich geschuldet ist, oder
- der angemessenen Alterssicherung dient, oder
- wenn im Einzelfall eine adäquate Gegenleistung festgestellt werden kann.