OLG Hamm: Anerkennung eines kanadischen Urteils betreffend die Wirksamkeit eines Negativtestaments

Leitsätze des OLG Hamm

1. Dem nach dem Recht von Ontario/Kanada bestellten „Estate Trustee with a Will“, ist ein eigenes Recht zur Beantragung eines Erbscheins in Deutschland nicht zuzubilligen.

2. Der anglo-amerkanische „executor“ bzw. „trustee“ wird nur dann als Testamentsvollstrecker in einen deutschen Erbschein aufgenommen, wenn er über die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten und die Verteilung des Nachlasses hinaus weitere Aufgaben hat und daher seine durch den Erblasser vorgesehene Rechtsstellung derjenigen eines deutschen Testamentsvollstreckers vergleichbar ist und sich seine Befugnisse auf Deutschland erstrecken.

3. Ein Erbscheinsantrag mit dem Zusatz "Für den gesamten Nachlass des Erblassers ist eine Treuhänderin/Nachlassverwalterin als „Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht der kanadischen Provinz Ontario eingesetzt. Der Nachlass ist mit dem Erbfall auf die Treuhänderin übergegangen, "unter Ausschluss der Erbin“ ist abzulehnen.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23.04.2025, Az.: 10 W 49/25

Vorinstanz: Amtsgericht Bielefeld, 113 VI 230/19

Auszug aus den Gründen

Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Bielefeld konnte die Beteiligte zu 4) als „Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht von Ontario/Kanada einen Erbscheinsantrag jedoch nicht aus eigenem Recht stellen. Das mit der Ernennung erteilte „certificate of appointment of estate trustee with a will“ hat eine dem Erbschein vergleichbare Funktion und begründet die Vermutung, dass der „administrator“ die im „certificate“ genannten Aufgaben wahrnehmen und über das Vermögen des Erblassers im Rahmen der Reichweite des „certificate“ verfügen kann (Polten, Überblick über erbrechtliche Fragen mit internationalem Bezug zu Deutschland und Kanada, 2011, S. 12). Während der testamentarisch benannte „estate trustee“ seine Rechte dabei unmittelbar aus dem Testament ableitet, ergeben sich die Rechte des gerichtlich bestimmten „estate trustee“ aus dem „certificate“ (Polten, Überblick über erbrechtliche Fragen mit internationalem Bezug zu Deutschland und Kanada, 2011, S. 12).

Ausländische Entscheidungen im Anwendungsbereich des FamFG sind gemäß § 108 Abs. 1 FamFG ohne förmliches Anerkennungsverfahren anzuerkennen. Jedoch gibt es für die Tätigkeit des „estate trustee“, „administrator“ bzw. „personal representative“ kein Äquivalent im deutschem Recht (siehe Burandt/Rojahn/Leithold, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 242, beck-online). Berechtigt zur Beantragung eines Erbscheins sind nur Erben, Miterben, Vorerben und Testamentsvollstrecker (Zimmermann, in FamFG, § 352 Rn. 23 ff.). Vorliegend ist die Rechtsposition der Beteiligten zu 4) jedoch nicht mit der eines Testamentsvollstreckers gleichzusetzen. Es kann offenbleiben, ob dies bei einem „Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht von Ontario/Kanada der Fall wäre, der durch den Erblasser in dessen „Will“, d. h. gemäß der letztwilligen Verfügung eingesetzt wurde, da das Testament des Erblassers vorliegend keine Einsetzung eines „Estate Trustee with a Will“ enthielt.

Auch aus dem „certificate of appointment of estate trustee with a will“ ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 4) die Befugnis zur Beantragung eines Fremdrechtserbscheins vor einem deutschen Gericht erhalten sollte. Dies wäre nach den verfügbaren Informationen auch keine typische Tätigkeit eines „estate trustee“. Dessen Einsetzung gilt für die Provinz Ontario. Die Befugnisse des „estate trustee“ enden an der Provinzgrenze (Polten, Überblick über erbrechtliche Fragen mit internationalem Bezug zu Deutschland und Kanada, 2011, S. 9). Befindet sich Nachlassvermögen auch in einer anderen Provinz oder in einem anderen Land, das die Rechtsfigur des „personal representative“ kennt, bedarf es eines bestätigenden Rechtsakts, eines „Ancillary Appointment of Estate Trustee with a Will“ oder einer „Confirmation by Resealing of Appointment of Estate Trustee“, damit der „Estate Trustee with a Will“ auch dort tätig werden darf (Polten, Überblick über erbrechtliche Fragen mit internationalem Bezug zu Deutschland und Kanada, 2011, S. 9). Ebenso bedarf es eines solchen Rechtsaktes damit der in einer anderen Provinz oder in einem anderen Land bestellte „Estate Trustee with a Will“ auch in der Provinz Ontario tätig werden darf.

Somit ist es nicht angezeigt, dem nach dem Recht von Ontario/Kanada bestellten „Estate Trustee with a Will“, ein eigenes Antragsrecht in Deutschland zuzubilligen (so auch Burandt/Rojahn/Leithold, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 238, beck-online für den Beschluss über die Bestellung des „personal representative“ (Order Appointing Personal Representative), der zwar anzuerkennen sei, sich aber nicht unmittelbar auf die Stellung des Ernannten in Deutschland auswirke, da er lediglich bezeuge, dass die betreffende Person nach dem dortigen Ortsrecht geeignet und befugt ist, die Nachlassabwicklung nach den dortigen Vorschriften abzuwickeln).

Die Beteiligte zu 4) war jedoch als Bevollmächtigte der Beteiligten zu 1), des Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3) zur Antragstellung befugt.

Ursprünglich hatte die Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 4) bevollmächtigt (Bl. 28 GA I). Nach deren Tode erteilten ihre Erben, der Beteiligte zu 2) und die Beteiligte zu 3) der Beteiligten zu 4) eine Vollmacht (Bl. 200 GA I).

Der Beteiligte zu 6) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beteiligte zu 4) sowohl als „Estate Trustee with a Will“ als auch als Verfahrensbevollmächtigte der Erbeserben, des Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3), tätig wird. Ob darin ein Verstoß gegen§ 45 BRAO liegt, muss nicht entschieden werden.

Die Wirksamkeit der der Beteiligten zu 4) als Verfahrensbevollmächtigten von ihren Mandanten erteilten Prozess- bzw. Verfahrensvollmacht wird durch einen etwaigen Gesetzesverstoß nicht berührt. Die erteilte Vollmacht berechtigt nach außen zur uneingeschränkten Vertretung, unabhängig davon, ob das der Erteilung der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsverhältnis wirksam ist oder Vertretungsbeschränkungen enthält (OLG Hamm, Beschluss vom 01.10.1991 – 15 W 266/91 –, juris; Weinland in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 167 BGB (Stand: 22.04.2025) Rn. 96; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 167 Rn. 4).

cc)

Trotz der rechtskräftigen Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada besteht auch noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung eines Erbennachweises in Form eines Fremdrechterbscheins beschränkt auf den inländischen Nachlass. Die Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada wird von der T.bank, bei der ein Teil des Nachlassvermögens angelegt ist, nicht akzeptiert. Hierbei handelt es sich auch nicht um einen Einzelfall, sondern um eine in der Literatur empfohlene Vorgehensweise, um Haftungsrisiken zu vermeiden (Ellenberger/Bunte BankR-HdB/Brian, 6. Aufl. 2022, § 6 Rn. 39, beck-online). Nach § 2367 BGB kann ein Nachlassschuldner an die Person, die im Erbschein als Erbe ausgewiesen wird, befreiend leisten oder mit einer Forderung gegen den Nachlass aufrechnen. Soweit ersichtlich, hat die Entscheidung des Superior Court of Justice diese Wirkung nicht.

Die Beteiligten zu 2), 3) und 4) können daher auch nicht auf einen Zivilrechtsstreit mit der T.bank verwiesen werden. Da die Bank ein Interesse daran hat, dass festgestellt wird, an wen sie mit befreiender Wirkung leisten kann, haben die Beteiligten zu 2), 3) und 4) ein berechtigtes Interesse daran, dass für den im Inland belegenden Nachlass die Rechtsnachfolge durch Erbschein festgestellt wird.

Ein bereits erteilter ausländischer Erbschein lässt das Rechtsschutzinteresse für einen Fremdrechtserbschein nur dann entfallen, wenn jener ausnahmsweise, insbesondere wegen einer besonderen staatsvertraglichen Regelung auch gegenüber dem deutschen Nachlassgericht, Bindungswirkung entfaltet (MüKoFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, FamFG § 352c Rn. 8, beck-online).

Gemäß § 108 Abs. 1 FamFG erfolgt die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen im Anwendungsbereich des FamFG, ohne dass es eines förmlichen Anerkennungsverfahrens bedarf. Die Anerkennung erfolgt inzident und ipso iure (MüKoFamFG/Rauscher, 4. Aufl. 2025, FamFG § 108 Rn. 21, beck-online).

Die vorliegende Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada lässt sich eher mit einem Feststellungsurteil als mit einem Erbschein, den das Recht von Ontario/Kanada nicht kennt, vergleichen. Es erscheint daher angezeigt, die Entscheidung – soweit sie anzuerkennen ist (hierzu unten) – wie eine in einem Zivilprozess entschiedene Vorfrage zu behandeln und das auf das inländische Vermögen beschränkte Nachlassverfahren durchzuführen.

b)

Die für die Erteilung des durch die Beteiligte zu 4) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen liegen jedoch nicht vor.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – ist bei der Erteilung des Erbscheins an den Erbscheinsantrag gebunden. Der in der Fassung vom 30.04.2024 i. V. m. dem Schriftsatz vom 23.07.2024 beantragte Erbschein kann nicht erteilt werden.

aa)

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Bielefeld hat zutreffend ausgeführt, dass zu prüfen ist, ob die Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada anzuerkennen ist.

Die Frage, ob ausländische Zeugnisse über die Erbfolge anerkennungsfähig sind, ist umstritten (siehe hierzu Klinck, FamRZ 2009, 741, 746). Wie bereits vorstehend ausgeführt, lässt sich die Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada eher mit einem deutschen Feststellungsurteil als mit einem Erbschein vergleichen. Als rechtskräftige Sachentscheidung ist sie tauglicher Gegenstand eines Anerkennungsverfahrens. Ob die Voraussetzungen für ein solches gegeben sind, ist nach §§ 108 f. FamFG zu beurteilen.

Grundsätzlich sind nur Entscheidungen nach § 108 FamFG zu beurteilen, die in Verfahren ergangen sind, auf die aus deutscher Sicht das FamFG anzuwenden gewesen wäre, hätten sie in Deutschland stattgefunden (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 328 ZPO, Rn. 66, Rn 91). Jedoch wird empfohlen, dass man sich im Zweifel vom favor recognitionis leiten lassen soll (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu §§ 97-110, Rn. 22-24). Vorliegend würde sich das dem Recht von Ontario/Kanada fremde Erbscheinsverfahren nach FamFG und die Feststellungsklage nach ZPO richten. Ziel des Verfahrens vor dem Superior Court of Justice von Ontario/Kanada war die Klärung der Rechtsnachfolge nach dem Erblasser. Zu diesem Zweck würde in Deutschland in der Regel ein Erbscheinsverfahren eingeleitet, so dass es angemessen erscheint, §§ 108 f. FamFG anzuwenden (so auch Klinck, FamRZ 2009, 741, 746; Hau in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 108 FamFG, Rn. 17; Siehr, IPRax 2013, 241, 244).

Anerkennungshindernisse nach § 109 FamFG sind vorliegend nicht ersichtlich.

Die Gerichte von Ontario/Kanada waren nach deutschem Recht zuständig, § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Um zu überprüfen, ob das ausländische Gericht für die Entscheidung zuständig war, werden die deutschen Zuständigkeitsregeln in „spiegelbildlicher“ Weise angewendet (Heiderhoff in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, 4. Auflage 2021, § 109 FamFG, Rn. 5). Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Ontario/Kanada. Hieraus ergab sich die Zuständigkeit des Gerichts seines gewöhnlichen Aufenthalts.

Gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte.

Vorliegend ist die Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada unter Beteiligung der Beteiligten zu 1), des Beteiligten zu 6), des Beteiligten zu 7), des Beteiligten 8) und der Beteiligten zu 9) ergangen. Der Beteiligte zu 5) als Erbanwärter nach gesetzlicher Erbfolge im Falle einer nach deutschem Recht wirksamen Enterbung der Beteiligten zu 1) war nicht beteiligt. Er hat sich jedoch auch am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt und sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihm das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte.

Auch der Versagungsgrund des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist somit nicht einschlägig, da er nur auf Rüge des betroffenen Beteiligten geprüft wird (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 109 FamFG, Rn. 67).

Die Entscheidung ist auch nicht mit einer hier erlassenen oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung unvereinbar, so dass § 109 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ebenfalls nicht einschlägig ist.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 6) liegt auch kein Anerkennungshindernis nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG vor. Hiernach ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Ausgangspunkt ist das Verbot der révision au fond gemäß § 109 Abs. 5 FamFG, d. h. das grundsätzliche Verbot ausländische Gerichtsentscheidungen im Rahmen der Anerkennung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nachzuprüfen. Die ordre public- Kontrolle des Entscheidungsinhalts hat daher nur in sehr eingeschränktem Umfang zu erfolgen (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 109 FamFG, Rn. 69). Vorliegend liegt, wie das Amtsgericht – Nachlassgericht – Bielefeld umfassend, zutreffend und keiner weiteren Ergänzung bedürfend, ausgeführt hat, kein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor. Ein solcher liegt insbesondere nicht darin, dass die Beteiligte zu 1) zwar testamentarisch enterbt wurde, jedoch wegen der fehlenden testamentarischen Erbeinsetzung aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erbin wurde. Nach dem Recht von Ontario/Kanada führt die testamentarische Enterbung nicht zu einem Ausschluss nach gesetzlicher Erbfolge.

In Nachlasssachen ist für eine Anerkennung auch nicht notwendig, dass Gegenseitigkeit verbürgt ist, § 109 Abs. 4 FamFG.

Zwar bindet ein deutsches das Erbrecht rechtskräftig feststellendes zivilprozessuales Urteil das Nachlassgericht nur, soweit die Parteien des Rechtsstreites mit den Beteiligten des Erbscheinsverfahrens identisch sind (Bumiller/Harders/Schwamb/Harders, 13. Aufl. 2022, FamFG § 352e Rn. 24, beck- online), jedoch hindert vorliegend die fehlende Beteiligung des Beteiligten zu 5) die Bindung des Nachlassgerichts an die Entscheidung des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada nicht. Wie zu § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ausgeführt, hätte sich der Beteiligte zu 5) auf seine fehlende Beteiligung berufen müssen.

Die rechtskräftige Entscheidung über einen Streitgegenstand in einem Rechtsstreit (Erstprozess) bewirkt in jedem Fall, dass nicht nur die Parteien, sondern auch die Gerichte in einem weiteren Rechtsstreit zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand (Zweitprozess) an die Entscheidung im Erstprozess inhaltlich in dem Sinne gebunden sind, dass sie über den Streitgegenstand nicht in einer vom Urteil des Erstprozesses abweichenden Weise entscheiden können (BGH, Urteil vom 20. März 1964 – V ZR 34/62 –, Rn. 20, juris).

Aus der Rechtskraft des Urteils des Superior Court of Justice von Ontario/Kanada und seiner Anerkennung im Inland folgt somit, dass das deutsche Nachlassgericht an seinen Inhalt gebunden ist (BGH, Urteil vom 20. März 1964 – V ZR 34/62 –, Rn. 21, juris).

Die Beteiligte zu 1) ist somit in Anwendung des Rechts von Ontario/Kanada Erbin des Erblassers geworden.

bb)

Der Erbschein kann jedoch nicht wie beantragt erteilt werden, da schon die Angabe fehlt, dass es sich um einen Fremdrechtserbschein handelt. Es ist ausdrücklich in den Erbscheinsantrag aufzunehmen, dass es sich um einen Erbschein nach dem Recht von Ontario/Kanada handelt (siehe beispielsweise GForm-FamFG/Poller, 3. Aufl. 2023, FamFG § 352c Rn. 7, beck-online; (Staudinger/Herzog (2016) BGB § 2353, Rn. 518)).

cc)

Beantragt wird zudem die Aufnahme des Zusatzes in den Erbschein: „Für den gesamten Nachlass des vorverstorbenen U. ist eine Treuhänderin/Nachlassverwalterin als „Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht der kanadischen Provinz Ontario eingesetzt. Der Nachlass ist mit dem Erbfall auf die Treuhänderin übergegangen unter Ausschluss der Erbin.“ Dies ist entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Bielefeld abzulehnen.

Der Erblasser hat in seinem Testament keinen „Estate Trustee“, der ggf. mit einem Testamentsvollstrecker gleichzusetzen und daher in den Erbschein aufzunehmen wäre, bestellt.

Soweit ersichtlich, wurde diese Frage, ob ein durch den Superior Court of Justice von Ontario/Kanada bestellter „Estate Trustee“ in den Erbschein aufzunehmen ist, bislang nicht entschieden.

Nach der h. M. sind ausländische Rechtsfiguren nur dann in einen deutschen Erbschein aufzunehmen, wenn sie einem im deutschen Recht bekannten Rechtsinstitut entsprechen und daher in ein solches übersetzbar sind (MüKoFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, FamFG § 352c Rn. 28, beck-online; Zorn in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage, 9/2022, § 343 FamFG, Rd-Nr. 180: Staudinger/Herzog (2016) BGB § 2353, Rn. 523).

Verfügungsbeschränkungen können im Erbschein gem. § 352b FamFG ausschließlich bei Anordnung einer Nacherbfolge bzw. Testamentsvollstreckung vermerkt werden (Zorn in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage, 9/2022, § 343 FamFG, Rd-Nr. 181).

„Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht von Ontario/Kanada entspricht Rechtsfiguren in anderen englischsprachigen Provinzen Kanadas, in mehreren Staaten der USA und in Großbritannien.

Für den anglo-amerkanischen „executor“ bzw. „trustee“ wird vertreten, dass er nur dann als Testamentsvollstrecker durch Angabe der Testamentsvollstreckung als Resultat einer diesbezüglichen Anpassung bzw. Übersetzung der Rechtsinstitute „execution“ bzw. „trust“ i.S.d. § 352b Abs. 2 FamFG in einen deutschen Erbschein aufgenommen werden kann, wenn er über die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten und die Verteilung des Nachlasses hinaus weitere Aufgaben hat und daher seine durch den Erblasser vorgesehene Rechtsstellung derjenigen eines deutschen Testamentsvollstreckers vergleichbar ist und sich seine Befugnisse auf Deutschland erstrecken (Zorn in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage, 9/2022, § 343 FamFG, Rd-Nr. 182; Firsching/Graf/Döbereiner, § 48 Rz. 50).

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Aus dem „certificate of appointment of estate trustee with a will“ ergibt sich nicht, dass die Tätigkeit über die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten und die Verteilung des Nachlasses hinausgehen und dass die Benennung auch über die Grenzen der Provinz ohne einen speziellen Anerkennungsakt Wirkung entfalten soll, so dass sich die Befugnisse der „Estate Trustee with a Will“ auch auf Deutschland erstrecken

Für den nicht vom Erblasser ernannten „administrator“ besteht weitgehende Einigkeit, dass dessen Position nicht in die eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht umgedeutet werden kann bzw. dieser dem deutschen Testamentsvollstrecker nicht funktionsäquivalent ist (s. etwa BeckOK FamFG/Schlögel, 53. Ed. 1.3.2025, FamFG § 352c Rn. 10, beck-online; Burandt/Rojahn/Leithold, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 242, beck-online; MAH ErbR/Pawlytta/Pfeiffer, 6. Aufl. 2024, § 33, Fn. 471 beck-online; Krätzschel/Falkner/Döbereiner/Döbereiner, NachlassR, § 48 Rn. 51, beck-online; Zorn in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 343 FamFG, Rn. 182; Staudinger/Herzog (2016) BGB § 2353, Rn. 530). Hauptargument hierfür ist, dass die gerichtliche Bestellung eines „administrator“ vom Willen des Erblassers unabhängig und allein dem Umstand geschuldet ist, dass das Recht der US-Bundesstaaten für die Durchführung der „administration“ zwingend einen „personal representative“ benötigt (Burandt/Rojahn/Leithold, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 242, beck-online).

Ebenso ist die Situation hier. Der Superior Court of Justice von Ontario/Kanada hat die Beteiligte zu 4) zur „Estate Trustee with a Will“ eingesetzt, weil das Recht von Ontario keine Universalsukzession kennt, sondern als zwingenden Zwischenschritt vorsieht, dass der Nachlass zunächst einem „Estate trustee with a will“ bzw. „Estate trustee without a will“ zufällt.

Die entgegengesetzte Ansicht, nach der man angesichts der weitreichenden Befugnisse und Verfügungsbeschränkungen des „personal representative“ diesen wenigstens in Analogie mit einem Testamentsvollstrecker gleichzustellen habe und einen entsprechenden Vermerk über die Verfügungsbeschränkung in den Erbschein aufnehmen müsse (so MüKoFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, FamFG § 352c Rn. 40 m. w. N., beck-online; NK-BGB/Felix Odersky, 6. Aufl. 2022, USA Rn. 30, beck- online), überzeugt nicht.

Dies hat zur Folge, dass der nachverstorbenen Beteiligten zu 1) trotz fehlender Verfügungsbefugnis ein Erbschein ohne einen Hinweis auf die Einsetzung eines „Estate Trustee with a Will“ nach dem Recht von Ontario/Kanada erteilt werden kann (so auch Burandt/Rojahn/Gierl, 4. Aufl. 2022, FamFG § 352c Rn. 16, beck-online; Sternal/Zimmermann, 21. Aufl. 2023, FamFG § 352c Rn. 10, beck-online).

dd)

Gemäß § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit seiner Angaben abzugeben. Vorliegend hat das Nachlassgericht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auch nicht nach § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG erlassen.

Die eidesstattliche Versicherung ist grundsätzlich höchstpersönlich ohne Möglichkeit einer Bevollmächtigung abzugeben (Zorn in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 352 FamFG, Rn. 19). Vorliegend hat jedoch lediglich die Beteiligte zu 4) am 30.04.2024 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dies ist nicht ausreichend. Wie vorstehend ausgeführt, ist sie nicht mit einem Testamentsvollstecker gleichzustellen.

Vorliegend ist die Beteiligte zu 1) als Erbin verstorben, so dass die eidesstattliche Versicherung von den Erbeserben, dem Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3), abzugeben wäre (Staudinger/Herzog (2023) BGB § 2353, Rn. 260).

Sofern ein nach Maßgabe dieser Ausführungen angepasster Erbscheinsantrag gestellt würde und eine entsprechende eidesstattliche Versicherung abgegeben würde, könnte der Erbschein erteilt werden.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 81 Abs.1 S. 1 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Der Geschäftswert ergibt sich aus dem Wert des inländischen Nachlasses ausweislich des Erbscheinsantrags vom 30.04.2024.

Anmerkung

1. In einer Urteilsbesprechung in der ZEV (Zugang nur für Nutzer von Beck-online)  hat Prof. Dr. Karlheinz Muscheler zu Recht angemerkt, dass die Entscheidung falsch ist, da ein Versagungsgrund für die Anerkennung vorlag. So sei die Möglichkeit eines Negativtestaments (§ 1938 BGB) Ausdruck der durch Art. 14. Abs 1  GG geschützten Testierfreiheit. Dem ist zuzustimmen. Dass die Möglichkeit eines Negativtestaments (§ 1938 BGB) Ausdruck der durch Art. 14. Abs 1  GG  geschützten Testierfreiheit ist, hatte auch das Nachlassgericht erkannt; allerdings hat es ohne nachvollziehbare Begründung  und ohne Feststellung eines sachlichen Grundes für eine Einschränkung von Art. 14 Abs. 1 GG im konkreten Fall dann die Auffassung vertreten, dass das Ergebnis "nicht prinzipiell untragbar" sei. Das ist verfehlt, da jeder sachlich nicht gerechtfertigte Eingriff in Grundrechte ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ist. 

2. Dass einem nicht durch Testament bestimmten kanadischen Nachlassabwickler kein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt werden kann, ist schon lange ganz herrschende Meinung - was dem Antragsteller und deren Prozessbevollmächtigten aber nicht bekannt war. 

3. Der Gegenseite wurden die Kosten auferlegt. Dies war auch richtig, da von vorne herein klar war, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat.

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