Grundlagen: Begriff und Zweck der Joint Tenancy
Die Joint Tenancy ist eine in ganz Kanada (Ausnahme: Québec) verbreitete Rechtsfigur: Sie kennzeichnet, dass ein Vermögensgegenstand (z.B. Konto oder Haus) mehreren Personen (z.B. Ehegatten) gemeinschaftlich gehört und der Anteil des Erstversterbenden dem oder den Überlebenden auf den Tod anwächst.
Zweck der Joint Tenancy ist in der Regel die Vermeidung des als umständlich empfundenen gerichtlichen Nachlassverfahrens (probate).
Rechtsfolgen der Vereinbarung einer Joint Tenancy nach kanadischem Recht
Das kanadische Recht unterscheidet drei Fälle der Joint Tenancy, welche unterschiedliche Wirkungen zu Lebzeiten bzw. im Erbfall haben:
“Echte” joint tenancy
Der Eigentümer kann eine andere Person als “echten” Joint Tenant eintragen. Hierdurch entsteht eine echte rechtliche gemeinschaftliche Beteiligung (joint legal interest) und gemeinschaftliche wirtschaftliche Berechtigung (joint beneficial interest). Beide Personen werden gemeinschaftliche Eigentümer (joint ownership), haben die gleichen Rechte und werden gemeinsam als Eigentümer registriert.
Die Person, welche die Beteiligung einräumt, muss die Übertragung bei der Einkommensteuer angeben und etwaige Gewinne versteuern.
Hinweis: bei Steuerpflicht in Deutschland kann die echte Joint Tenancy Schenkungssteuer auslösen!
Im Fall der echten Joint Tenancy kann über den Anteil nur mit Zustimmung der anderen Mitinhaber (joint tenants) verfügt werden.
Jeder Gesamtberechtigte kann allerdings Aufhebung der Gemeinschaft verlangen und gerichtlich durch Teilungsklage (partition lawsuit) durchsetzen.
Die Miteigentümer (joint tenants) sind mangels abweichender Vereinbarung entsprechend ihrer Anteile verpflichtet sich an den Kosten und Steuern für das gemeinschaftliche Vermögen zu tragen.
Die nach der Übertragung erzielten Einkünfte aus dem Gegenstand mehren das steuerpflichtige Einkommen der gemeinschaftlichen Eigentümer entsprechend ihrer Beteiligung.
Im Todesfall geht der Gegenstand automatisch auf den überlebenden Miteigentümer (joint tenant) über ohne, dass es eines förmlichen Nachlassverfahrens bedarf. Allerdings kann auch dieser Vermögensübergang CGT auslösen.
“Resulting trust” joint tenancy
Die zweite Möglichkeit ist es einen resulting trust zu errichten. Dabei wird nur eine rechtliche Beteiligung gewährt, nicht hingegen eine wirtschaftliche. Der Erwerber erwirbt daher keine wirtschaftliches Eigentum (beneficial interest), sondern wir nur als formal Berechtigter (legal interest). Er ist also nur eine Art Treuhänder (trustee) ohne Nutzungs- oder Fruchtziehungsrecht. Steuerliche Folgen hat die Übertragung daher nicht.
Im Todesfall geht der Anteil des Verstorbenen automatisch auf den Überlebenden über. Der überlebende verwaltet den Anteil allerdings als Trustee für den Nachlass und der Anteil wird nach den Regeln des Nachlasses (z.B. wie im Testament bestimmt) verteilt. Der Nachlass kann insoweit zur Zahlung von CGT verpflichtet sein.
Schenkung eines Anwachsungsrechts auf den Tod
Die dritte Möglichkeit ist es, dem Erwerber ein Anwachsungsrecht auf den Tod (right of survivorship) schon zu Lebzeiten zuzuwenden. Das Konzept einer right of survivorship als ein eigenes Vermögensrecht (abweichend von dem “normale" Übergang auf den Tod bei der joint tenancy) wurde 2007 durch die Entscheidung des Supreme Court of Canada in dem Fall Pecore v. Pecore eingeführt. Wie bei einem resulting tust wird auch in diesem Fall zu Lebzeiten kein wirtschaftliches Eigentum erworben, obwohl beide als Mitberechtigte einzutragen sind (legal interest). Allerdings erwirbt der Begünstigte im Todesfall das wirtschaftliche Eigentum (beneficial interest). Da es sich um eine lebzeitige Schenkung handelt, kann sie im Grundsatz nicht widerrufen werden (Kennedy v Smith, 2022 BCSC 1622). Allerdings ist der Schenker berechtigt zu Lebzeiten über das Guthaben zu verfügen und kann so die Begünstigung aushöhlen.
Abgrenzung der einzelnen Formen der Joint Tenancy
Nach den common-law Regeln wird vermutet, dass gemeinschaftliche Vermögensgegenstände als joint tenancy gehalten werden. In vielen Provinzen wurde diese Vermutung aber durch Gesetz ganz oder zum Teil außer Kraft gesetzt, siehe z.B. s.13(1) of the Conveyancing and Law of Property Act (Ontario), section 8 of the Alberta Law of Property Act (Alberta), Property Law Act s.11 (British Columbia).
Wenn eine Immobilie von einer Partei gekauft wird, das Eigentum aber von zwei Parteien gemeinsam gehalten wird, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Partei, die die Kaufsumme zur Verfügung gestellt hat, beabsichtigt hat, das gesamte wirtschaftliche Eigentum, einschließlich des Überlebensrechts, zu behalten (Kennedy v Smith, 2022 BCSC 1622 at para 78 [Kennedy]).
Eine Schenkung unter Lebenden setzt voraus, dass der Schenker den Willen zur Schenkung hatte und dies dem Beschenkten bekannt gemacht hat. Außerdem muss der Schenker alles getan haben, was nach der Natur des Vermögensgegenstandes erforderlich ist, um ihn auf den Beschenkten zu übertragen und die Regelung für ihn rechtsverbindlich zu machen (McKendry v. McKendry, 2017 BCCA 48 at para 31 [McKendry])
Für die Zuwendung einer wirtschaftlichen Berechtigung bereits zu Lebzeiten spricht z.B.
- der Umstand, dass entsprechend der Anteile Steuern und Kosten gezahlt wurden,
- tatsächliche Nutzung des Gegenstands,
- Vollmachten und
- Begriffsverwendung in Bankunterlagen (bei Joint account).
Bei Zuwendung an den Ehegatten wird im Zweifel von einer Zuwendung einer wirtschaftlichen Berechtigung auszugehen sein.
Joint Tenancy und deutsches Erbrecht
Auch bei Anwendung deutschen Erbrechts gehen die Regeln der Joint Tenancy im Grundsatz vor.
Allerdings kann die Anwachsung unter Umständen den Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen.
Schwierige Fragen stellen sich auch im Hinblick auf den Pflichtteil, wenn der (wirtschaftlich) Begünstigte der Joint Tenancy selbst den Pflichtteil verlangt.