Gesetzliche Grundlagen
Die Testamentarische Erbfolge ist in Part IV (Wills) des Wills, Estates and Succession Act (WESA) geregelt.
Anwendbares Recht betreffend die testamentarische Erbfolge
Sicht der Gerichte von British Columbia
Betreffend die testamentarische Erbfolge gilt (ebenfalls) der Grundsatz der Nachlassspaltung:
- Im Hinblick auf bewegliches Vermögen (movables) das Recht des letzten Domizil (domicile) des Erblassers an.
- Im Hinblick auf das unbewegliches Vermögen (immovables) ist das Recht des Ortes, an dem es sich das unbewegliche Vermögen befindet, also das Belegenheitsrecht (lex rei sitae) anzuwenden.
Betreffend die Testamentsauslegung kann sich aus dem Willen des Testators ergeben, dass ein anderes Recht anzuwenden sein soll.
Ändert der Testierende sein Domizil nach Errichtung des Testaments, so wird es dadurch nicht unwirksam im Hinblick auf Art und Form der Errichtung.
Sicht deutscher Gerichte
Deutsche Gerichte haben für Erbfälle bis zum 16.08.2015 das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers und, ausnahmsweise, für unbewegliches Vermögen in Ontario das Recht von Ontario angewendet. Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 bestimmt sich das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO anzuwendende Recht aus Sicht eines deutschen Gerichts nach der der Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO).
Die unterschiedlichen Regeln können im Einzelfall dazu führen, dass Gerichte von Ontario und Deutschland zu anderen Entscheidungen kommen. Daher kann die Wahl des Gerichts (Forum Shopping) für den Ausgang eines Rechtsstreits entscheidend sein.
Testierfähigkeit
Testierfähig ist, wer 16 oder älter ist und in vollem Besitz seiner Geisteskräfte ist, Art. 36(1) WESA.
Form des Testaments
Grundsatz
Ein Testament bedarf der Schriftform, Sec. 37 WESA. Das Testament muss vom Testator oder einer anderen Person in Anwesenheit des Testators auf seine Anweisung unterzeichnet werden, Sec. 37 WESA.
Der Testator muss das Testament vor zwei gleichzeitig anwesenden Zeugen errichten oder anerkennen, Sec. 37 WESA. Die Zeugen müssen das Testament in Anwesenheit des Testator unterschreiben, Sec. 37 WESA.
Ein eigenhändiges Testament, dass vorstehende Voraussetzungen nicht wahrt, ist im Grundsatz nicht nach dem Recht von BC wirksam (siehe aber nachfolgenden Abschnitt).
Anerkennung von Testamenten in der Form des Rechts eines anderen Staates
Eine letztwillige Verfügung ist hinsichtlich ihrer Form auch dann gültig, wenn diese den Formerfordernissen entspricht
- des Rechts des Ortes, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat,
- des Rechts des letzten Domizils (domicile) des Erblassers,
- des Rechts eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, oder im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte,
- des Rechts der Staatsangehörigkeit des Erblassers,
- mit dem Recht von British Columbia, wenn das Testament außerhalb von BC errichtet wurde,
- des Rechts des Ortes, an dem sich unbewegliches Vermögen befindet,
- bei Errichtung auf einem Schiff oder Flugzeug das Recht das in Ansehung der Registrierung am engsten verbunden ist, Sec. 80 WESA.
Bestätigung eines Testaments bei unwesentlichen Mängeln der Form nach
Nach Sec. 58 WEA kann das Gericht auf Antrag das Dokument, das nicht den formalen Anforderungen an in wirksames Testament genügt, für wirksam erklären, wenn nach seiner Überzeugung darin der Wille der Person ein Testament errichten zu wollen zum Ausdruck kommt. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:
- Ein testamentarischer Wille ist nicht die bloße Verfügung über Vermögenswerte, sondern muss "eine bewusste oder feststehende und endgültige Willensbekundung hinsichtlich der Verfügung über das Vermögen des Erblassers von Todes wegen" sein; und
- Eine letztwillige Verfügung ist nicht unwiderruflich, sondern muss "zum maßgeblichen Zeitpunkt fest und endgültig sein", was höchstwahrscheinlich der Zeitpunkt ist, zu dem das Dokument erstellt wurde, aber auch später sein kann ( Hadley Estate [Re] 2017, BCCA 311).
Zulässiger Inhalt des Testaments
Grundsatz der Testierfreiheit
Der Erblasser ist im Grundsatz frei im Testament anzuordnen, was er will. Er kann z.B. anordnen,
- wer einen bestimmten Vermögensgegenstand erhalten soll,
- wer aus einer Vermögensklasse etwas erhalten soll (z.B. einen Geldbetrag),
- wer den Restnachlass (residuary estate) erhalten soll,
- wer Nachlassabwickler (executor, personal representative) sein soll,
- dass nach der Nachlassabwicklung ein Treuhänder (trustee) das Vermögen für den Begünstigten bis zum Ablauf einer bestimmten Zeit oder Eintreten eines Ereignisses verwalten soll.
Hinweis: Im deutschen Nachlassverfahren kann die Verwendung der Terminologie von British Columbia eine Auslegung erforderlich machen. So kann sich z.B. die Frage stellen, ob in der Ernennung eines "executor" die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers für das Vermögen in Deutschland zu sehen ist.
Erbverbote
Erbverbote bestehen nach Sec. 43 WESA z.B. für Testierzeugen und deren Ehegatten.
Widerruf des Testaments
Ein Testament oder ein Teil davon wird gemäß Sec. 55 WESA wie folgt widerrufen:
- ein anderes (wirksames) Testament;
- schriftliche Bekundung des Willens das Testament widerrufen zu wollen, wobei Testamentsform einzuhalten ist;
- Verbrennen, zerreißen oder andere Zerstörung durch den Testator oder eine andere Person in der Gegenwart des Testators, auf Anweisung des Testators mit dem Willen das Testament zu widerrufen;
- unter bestimmten Voraussetzungen durch Gerichtsbeschluss
Durch eine Heirat wird nach dem WESA ein Testament nun nicht mehr widerrufen.
Vorsicht: Viele Personen mit Vermögen in Kanada errichten für ihr Vermögen in Kanada und Deutschland gesonderte Testamente. Wird eines geändert, kommt es oft vor, dass dieses versehentlich auch das andere widerruft. Daher sollten solche Testamente sorgfältig aufeinander abgestimmt sein.
Gemeinschaftliches Testament und wechselbezügliches Testament
Das gemeinschaftliche Testament (joint will) ist im Recht von BC zulässig (allerdings unüblich). Anders als im deutschen Recht sind gemeinschaftliche Testamente aber regelmäßig nicht wechselbezüglich.
Ein wechselbezügliches Testament (mutual Will) liegt nach dem Recht von BC nur vor, wenn
- es eine Vereinbarung gibt, die einem rechtsgültigen Vertrag gleichkommt;
- die Vereinbarung durch eindeutige und zufriedenstellende Beweise nachgewiesen wird;
- eine Vereinbarung über den Nichtwiderruf des Testaments enthalten ist.
Sind die Voraussetzungen für ein gegenseitiges Testament erfüllt, kann der Überlebende der Vertragsparteien die Vereinbarung nicht dadurch aufheben, dass er sein Testament nach dem Tod der anderen Partei widerruft oder ändert. Wenn der Überlebende sein Testament später widerruft oder ändert, kann nach dem Billigkeitsrecht ein "constructive trust" auf das Vermögen des Überlebenden zugunsten derjenigen errichtet werden, die nach dem gegenseitigen Testament begünstigt werden sollten.