Grundlagen: Entstehung der Erbengemeinschaft und Natur der Erbengemeinschaft
Eine Erbengemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen eine Person (Erblasser) beerben, § 2032 BGB.
Das gesamte Vermögen des Erblassers (Nachlass) wird mit dem Erbfall gemeinschaftlichen Vermögen der Erbengemeinschaft (gesamthänderische Bindung), d.h. die Miterben werden nicht Eigentümer an einzelnen Nachlassgegenständen.
Beispiel: A und B beerben E und bilden somit eine Erbengemeinschaft. Das Vermögen des E besteht aus dem Guthaben eines Kontos bei der X-Bank und einem Haus. Die Miterben sind gemeinsam sowohl an dem Kontoguthaben als auch dem Haus berechtigt. Sie sind nicht etwa an einem Gegenstand Alleineigentümer oder an beiden je zu 1/2 Eigentümer.
Eine Verfügung (z.B. Veräußerung) durch einen einzelnen Miterben über einen einzelnen Nachlassgegenstand oder einem ideellen Anteil daran ist daher nicht möglich, § 2033 BGB. Jeder Miterbe kann über seinen Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 BGB), z. B. durch Erbschaftsverkauf (§ 2371 BGB).
Die Erbengemeinschaft hat keine Rechtsfähigkeit hat und ist im Grundbuch nicht eintragungsfähig. Ein Grundbucheintrag „Erbengemeinschaft nach E“ ist daher nicht möglich. Vielmehr ist im Grundbuch „A und B in Erbengemeinschaft nach E“ einzutragen.
Tipp: Um die Verwaltung der Erbengemeinschaft an einer Immobilie zu vereinfachen, können die Mitglieder der Erbengemeinschaft eine (BGB-)Gesellschaft mit dem Zweck gründen, das Erbe dauerhaft zu verwalten. Diese kann dann im Grundbuch eingetragen werden.
Verwaltung der Erbengemeinschaft: Einführung
Die Miterben verwalten den Nachlasses gemeinschaftlich, § 2038 BGB (gemeinschaftliche Verwaltung der Erbengemeinschaft). Ist Testamentsvollstreckung angeordnet, hat der Testamentsvollstrecker regelmäßig das Verwaltungs-und Verfügungsrecht, § 2205 BGB.
Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbengemeinschaft erforderlich sind, § 2038 BGB.
Die Miterbengemeinschaft entscheidet durch Beschluss. Im Hinblick auf Maßnahmen der ordnungsmäßen Verwaltung entscheidet die Stimmenmehrheit der Anteile, § 2038 BGB i.V.m. § 745 BGB.
Hinweis: Ob es sich um eine „Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung“ der Erbengemeinschaft handelt, ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfall zu entscheiden. Zu berücksichtigen sind z. B. das Kosten- und Nutzen-Verhältnis und die Gefahr der Benachteiligung eines Miterben.
Zur ordnungsmäßigen Verwaltung der Erbengemeinschaft zählen z.B.
- erforderliche Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen (wenn hierfür genügend Geldmittel im Nachlass sind) oder
- die Kündigung von nicht mehr benötigten Verträgen des Erblassers (z.B. über Wohnung)
In der Erbengemeinschaft kann jeder Miterbe die zur Erhaltung notwendigen Maßnahmen ohne Mitwirkung der anderen treffen, § 2038 BGB.
Beispiel: Das Dach des Hauses des Erblassers ist undicht und bei Abwarten droht ein Wasserschaden.
Für eine wesentliche Veränderung ist ein einstimmiger Beschluss der Erbengemeinschaft erforderlich, § 2038 BGB, § 745 BGB. Dies ist z.B. der Fall, wenn die einzige Nachlassimmobilie verkauft werden soll.
Eine Verfügung (z.B. Übertragung des Eigentums) durch einen einzelnen Miterben ist unzulässig, § 2033 BGB.
Jeder Miterbe kann Zahlung von Nachlassforderungen vom Schuldner verlangen, vgl. § 2039 BGB.
Verwaltung der Erbengemeinschaft: Die Beschlussfindung in der Erbengemeinschaft
Wie dargetan, entscheidet die Erbengemeinschaft durch Beschluss. Die Abstimmung über den Beschlussantrag bedarf keiner besonderen Form. Vielmehr kann mündlich, schriftlich oder auch durch eine schlüssige Handlung abgestimmt werden.
Für die Beschlussfassung ist auch keine gleichzeitige Anwesenheit erforderlich. So kann z.B. ein Beschluss auch durch ein Umlaufverfahren erfolgen.
Beispiel: A schreibt B, dass er den Mietvertrag über die Wohnung des Erblassers kündigen möchte und sendet ihm einen Entwurf des Kündigungsschreibens mit der Bitte um Unterzeichnung zu. Diese soll nach Unterzeichnung an C mit der Bitte um Unterzeichnung weiter geleitet werden.
Bei der Abstimmung über die Verwaltung der Erbengemeinschaft kann auch ausnahmsweise Schweigen als Zustimmung zu einem Vorschlag gewertet werden. Der Erbe muss nicht unbedingt persönlich handeln, sondern kann sich auch vertreten lassen. Abgestimmt wird nach der Größe der Erbteile, d.h. nicht jeder Erbe hat ein gleiches Stimmrecht, sondern entsprechend seines Anteils.
Beispiel: Erblasser E wurde von A, B und C beerbt. A ist Erbe zu 1/2. B und C sind jeweils Erben zu 1/4. A hat 50 % der Stimmen. B und C haben jeweils 25 % der Stimmen.
Stimmberechtigt sind im Grundsatz alle Erben. Miterben, die bereits vollständig ausgezahlt wurden, können nicht mitstimmen. Nicht stimmberechtigt sind Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigte.
Ausnahmsweise ist ein Miterbe nicht stimmberechtigt, wenn ein Interessenkonflikt besteht, z.B. weil es darum geht eine Forderung gegen ihn durchzusetzen. Ein Interessenkonflikt besteht aber nicht, wenn ein Miterbe an einer Gesellschaft, mit welcher die Erbengemeinschaft im Streit ist, zwar beteiligt ist, diese aber nicht beherrscht. Auch in diesem Fall darf er aber an der Versammlung der Erbengemeinschaft teilnehmen. Kommt die erforderliche Stimmenzahl nicht zusammen, so bleibt nur die Möglichkeit, einen Miterben gerichtlich auf Zustimmung in Anspruch zu nehmen.
Keine erforderliche Mehrheit - was nun?
Wird die für eine Verwaltungsmaßnahme erforderliche Mehrheit nicht erreicht, so kann die Erbengemeinschaft nicht handeln. Sie kann insbesondere auch nicht im Verhältnis zu Dritten wirksam Rechtsgeschäfte tätigen. Ausnahmsweise genügt ein Mehrheitsbeschluss für die Kündigung eines Pachtvertrags, wenn diese im Sinne der ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbengemeinschaft ist.
Handelt es sich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung, kann die fehlende Zustimmung aber durch ein Gericht ersetzt werden (Mitwirkungsklage), da jeder Miterbe zur Mitwirkung an Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet ist, § 2038 BGB.
Würde die Verwaltungsmaßnahme zu einer wesentlichen Veränderung des Nachlasses führen, darf ein Gericht hingegen die Zustimmung nicht ersetzen.
Beispiel: Die Erbengemeinschaft ist sich nicht über den Verkauf der (einzigen) Nachlassimmobilie einig. Eine Klage auf Zustimmung hat hier keine Aussicht auf Erfolg. Vielmehr ist die Immobilie durch Teilungsversteigerung zu verwerten. Der Versteigerungserlös ist sodann im Rahmen der Erbteilung zu verteilen.
Nutzung von Nachlassgegenständen während des Bestehens der Erbengemeinschaft
Jeder Miterbe kann die Benutzung der Nachlassgegenstände verlangen (z. B. Nutzung der Ehewohnung des Erblassers durch überlebenden Ehepartner), wenn keine Nutzungsvereinbarung getroffen wurde, § 2038, § 745 BGB. Weigert sich ein Miterbe einer angemessenen Nutzungsvereinbarung zuzustimmen und nutzt er den Nachlassgegenstand gleichwohl, können die anderen Miterben Nutzungsersatz verlangen.
Teilung der Früchte während des Bestehens der Erbengemeinschaft
Die Teilung der Früchte (z. B. Miet- oder Zinserträge) erfolgt erst bei der Auseinandersetzung, § 2038 BGB. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrags verlangen, § 2038 BGB.
Die Miterben können aber durch einstimmigen Beschluss etwas anderes bestimmen. Jeder Miterbe kann Zustimmung zur vorzeitigen Teilung der Früchte verlangen, wenn die Weigerung rechtsmissbräuchlich ist.
Beispiel: A, B und C haben zu gleichen Teilen ein Mietshaus geerbt, welches sie als Miterben gemeinsam verwalten. Die Einkünfte aus der Vermietung werden auf ein gemeinschaftliches Konto gezahlt, so dass jeder Miterbe nur mit Zustimmung der anderen hierüber verfügen kann. Da die Mieteinnahmen allerdings für Zwecke der Einkommensteuer den Miterben anteilig zugerechnet werden, können sie (wenn keine besonderen Gründe hiergegen sprechen) verlangen, dass die Mieteinkünfte insoweit ausgezahlt werden, als sie zur Deckung der hierauf anteilig anfallenden Einkommensteuer erforderlich sind.