Deed of Variation im englischen Recht
Nach englischem Recht können die testamentarischen oder gesetzlichen Erben (beneficiaries) durch eine sog. „deed of variation“ die Begünstigung unter bestimmten Voraussetzungen mit steuerlich positiven Wirkungen ändern.
Deed of Variation aus der Sicht des deutschen Zivilrechts
Ist deutsches Erbrecht anzuwenden, stellt sich die Frage, wie eine deed of variation rechtlich einzuordnen (qualifizieren) ist.
Deed of Variation als Ausschlagung
Gegen eine Qualifikation als Ausschlagung spricht, dass nach deutschem Recht die Erbschaft im Grundsatz nur im Ganzen ausgeschlagen werden kann, § 1950 BGB. Außerdem ist die Ausschlagung zu Gunsten Dritter unzulässig, vgl. § 1947 BGB. Ferner ist die Ausschlagung eine einseitige Erklärung, vgl. § 1945 BGB. Schließlich kennt auch das englische Erbrecht die Erbausschlagung (disclaimer). Diese ist von der deed of variation zu unterscheiden.
Deed of Variation als Erbabtretungsvertrag
Für die Qualifikation als Erbabtretung nach § 2033 BGB spricht, dass
- der Übergang des Erbrechts nach § 2033 BGB wie bei einer deed of variation durch Vertrag erfolgt,
- durch den Abtretungsvertrag auch über einen Teil der Erbschaft verfügt werden kann,
- durch den Abtretungsvertrag der Erbteil einer bestimmten Person zugewendet werden kann.
Dementsprechend wurde die deed of variation auch in der Literatur als ein Abtretungsvertrag nach § 2033 BGB qualifiziert (vgl. S. 160 der Studie des deutschen Notarinstituts für die europäische Kommission vom 18. September 2002 Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des internationalen Verfahrensrecht und internationalen Privatrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union).
Gegen diese Einordnung spricht allerdings, dass bei einer deed of variation kein Erwerb der Erbschaft eintritt und Gläubiger eines weichenden Erben nicht in seinen Erbteil vollstrecken können.
Deed of Variation als Rechtsgeschäft sui generis
Schließlich ist es denkbar, dass es sich schlicht um eine dem deutschen Zivilrecht unbekanntes Rechtsinstitut handelt. Hierfür spricht, dass - jedenfalls aus der Sicht des UK - der Wille des Testators rückwirkend auf seinen Tod geändert wird.
Deed of Variation und deutsche Erbschaftsteuer/Schenkungssteuer
Deutschland besteuert gemäß § 1 (1) Nr. 1 ErbStG den Erwerb von Todes wegen. Der Erwerb tritt gemäß § 9 (1) ErbStG mit dem Tod des Erblassers ein. Dies gilt auch im Fall des Zwischenerwerbs durch einen Nachlassabwickler (BFH, Urteil BStBl. II 1988, 808).
Geht man davon aus, dass die deed of variation ein Abtretungsvertrag nach § 2033 BGB ist, so unterliegt die unentgeltliche Verfügung über den Erbteil durch die deed of variation gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Schenkungssteuer (vgl. auch zu von der Erbquote abweichenden Vereinbarungen in der Erbengemeinschaft: BFH v. 14.7.1982 II R 125 / 79, BStBl. II 1982, 714). Somit würde zusätzlich Schenkungssteuer anfallen, wenn der Vorgang nach § 2 ErbStG in Deutschland steuerbar ist.
Nimmt man eine Ausschlagung einer Erbschaft an, entfällt hingegen der steuerliche Erwerb von Todes wegen (siehe hierzu unseren Beitrag Ausschlagung der Erbschaft zur Vermeidung der deutschen Erbschaftsteuer). Wird eine Abfindung vereinbart, unterliegt diese gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer.
Bei Einordnung als Rechtsgeschäft sui generis stellt sich die Frage, ob die Rückwirkung steuerlich anzuerkennen wäre. Nimmt man dies an, könnte durch Verwendung einer deed of variation im Erbfall erhebliche Steuervorteile erzielt werden.
Aktuell: Das FG Münster hat Urteil vom 12.04.2018 (Az. 3 K 2050/16 Erb) entschieden, dass eine nach dem Recht von England und Wales zulässige "Deed of Variation" eine freigiebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) durch die Erben ist. Das FG hat die Revision zugelassen. Da das FG Münster den Beitrag zur Besteuerung einer Deed of Variation auf unserer alten Webseit ww.wf-kanzlei.de zitierte, fügen wir eine Kopie der alten Seite als Anlage diesem Beitrag bei.