Anwendbares Recht
Zur Bestimmung des auf die Ausschlagung anwendbaren Rechts sind die allgemeinen Grundsätze für die Rechtsnachfolge von Todes wegen maßgebend. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Anwendbares Recht im deutsch-englischen Erbfall. Zur Ausschlagung einer Erbschaft nach deutschem Recht verweisen wir auf den Beitrag Ausschlagung der Erbschaft - Frist, Form, Rechtsfolgen. Informationen zur Ausschlagung nach deutschem Recht in den Räumen der deutschen Botschaft (Konsularabteilung) in London finden Sie auf der Seite der Deutschen Botschaft in London.
Gründe für die Ausschlagung
Anders als im deutschen Recht dient eine Ausschlagung im Recht von England und Wales nicht der Vermeidung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten, da ein Begünstigter im Grundsatz nicht für Verbindlichkeiten des Nachlasses haftet.
Zweck der Ausschlagung kann sein
- die Vermeidung einer Erbanfallsteuer (z.B. die deutsche Erbschaftsteuer);
- Überspringen einer Generation;
- Befreiung von einer Beschwerung (z.B. Auflage);
- Emotionale Erwägungen.
Inhalt der Ausschlagungserklärung
Wenn in einem Testament zwei oder mehr verschiedene Zuwendungen an einen Begünstigten vorgesehen sind (z.B. ein Vermächtnis und eine Zuwendung auf den Rest/Erbeinsetzung), ist der Begünstigte berechtigt, eine der Zuwendungen auszuschlagen und die andere anzunehmen. Eine Zuwendung des Restvermögens (gift of the residuary estate) kann aus verschiedenen Vermögenswerten bestehen, ist aber eine einzige Zuwendung. Der Begünstigte auf den Rest (residuary beneficiary) muss daher entscheiden, ob er die Zuwendung ganz oder gar nicht erhalten will.
Der Begünstigte auf den Rest (residuary beneficiary) kann seinen Anteil an einem Nachlass vor der Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder im Laufe der Verwaltung ausschlagen. Ein von einem Begünstigten vor dem Tod des Erblassers erklärte Ausschlagung ist unwirksam (Smith gegen Smith [2001] 1 WLR 1937). Dies liegt daran, dass der Erblasser sein Testament bis zu seinem Tod widerrufen oder ändern kann. Unter diesen Umständen hat die ausschlagende Person kein Eigentumsrecht am Nachlass, auf das wirksam verzichtet werden kann, da ihr einziges Interesse am Nachlass zu Lebzeiten des Erblassers in der bloßen Erwartung besteht, zu erben (Chief Commissioner of State Revenue gegen Smeaton Grange Holdings in [19] und Smith gegen Smith in [10]).
Es ist möglich, eine Schenkung an zwei oder mehr Begünstigte als Miteigentümer mit Anwachsungsrecht (joint tenants) auszuschlagen, sofern alle Miteigentümer zustimmen (Re Schar [1951] Ch 280).
Form der Ausschlagung
Eine Ausschlagung kann durch eine Urkunde (deed), in anderer schriftlicher Form, mündlich oder durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (Townson v Tickell [1819] 3 B & Ald 31; 106 ER 75 und Re Clout v Frewer's Contract [1924] 2 Ch 230).
Erklärung der Ausschlagung
Hat ein Begünstigter die Annahme einer Zuwendung nicht zum Ausdruck gebracht, so gilt die Vermutung, dass er der Zuwendung zustimmt (In re Stratton's Disclaimer: Stratton v Inland Revenue Commissioners [1958] 1 Ch 42). Dies bedeutet, dass bei einem Begünstigten davon ausgegangen wird, dass er die Zuwendung annimmt, sofern er nichts anderes angibt. Daraus folgt, dass ein Begünstigter, der eine Erbschaft ausschlagen möchte, aktiv handeln muss. Passives Verhalten reicht nicht aus.
Eine Ausschlagung durch eine Urkunde (deed) wird mit Ausfertigung wirksam. Die Ausschlagung sollte dem Nachlassabwickler (personal representative) umgehend zur Kenntnis gebracht werden. Seine Zustimmung ist aber nicht erforderlich; dies gilt auch dann, wenn der Verzicht zu einer höheren Steuerschuld führt.
Rücknahme der Ausschlagung
Eine Ausschlagung muss vollständig sein, kann aber zurückgenommen werden, wenn der Anspruch des Begünstigten auf den Nachlass nicht anderweitig geregelt wurde (Re Young [1913] 1 Ch 272). Eine Person kann eine Ausschlagung nicht zurücknehmen, wenn der Nachlassabwickler im Vertrauen auf die Ausschlagung gehandelt hat, z. B. wenn die Ersatzbegünstigten über ihr aus der Ausschlagung folgendes Recht am Nachlass informiert wurden (Re Cranstoun (deceased) v Home of Rest for Horses [1949] Ch 523).
Zivilrechtliche Folgen
Eine Ausschlagung ist die Weigerung das Recht anzunehmen, Re Stratton's Disclaimer [1958] 1Ch 42. Der Ausschlagende wird so behandelt als sei er unmittelbar vor dem Erblasser verstorben.
Bei gesetzlicher Erbfolge (intestate succession) geht das Ausgeschlagene über auf
- die anderen Mitglieder der gleichen Ordnung geht, oder, falls es keine gibt
- an die nächste Ordnung der gesetzlichen Erbfolge, vgl. The Estates of Deceased Persons (Forfeiture Rule and Law of Succession) Act 2011.
Liegt ein Testament vor, so hängt die Identität der Person, die anstelle der Person die als verstorben gilt Anspruch auf das Vermögen hat, von den Bestimmungen des Testaments ab.
Steuerliche Folgen
Wenn die Ausschlagung innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod erfolgt, sind die steuerlichen Auswirkungen rückwirkend. Bei der Berechnung der UK-Nachlasssteuer wird davon ausgegangen, dass der neue Begünstigte die Leistung ab dem Todestag erhalten hat. Bei der UK-Kapitalgewinnsteuer wird der neue Begünstigte so behandelt als wäre er der ursprüngliche Begünstige.
Änderungserklärung (Deed of Variation) als Alternative zur Ausschlagung
Bei einer Ausschlagung ergibt sic, wer das Ausgeschlagene erhält aus den Bestimmungen des Testaments bzw. den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Ist dies nicht gewollte, wird von englischen Anwälten in der Regel eine Änderungserklärung (deed of variation) empfohlen - hierzu verweisen wir auf den Beitrag Die Deed of Variation nach dem Recht des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland.
Fazit
Eine Ausschlagung bei Bezügen zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland sollte gut durchdacht werden. Wenn die Ausschlagung Mittel zur Verringerung der Erbschaftsteuer ist, sollte immer ein Spezialst für deutsch-englisches Erbrecht hinzugezogen werden.