England und Wales: Gesetzliche Erbfolge

Als englische Anwältin (Solicitor England & Wales) und Spezialistin für Nachlassverfahren in England und Wales werde ich immer wieder gefragt, wer erbt, wenn es kein Testament gibt. Der Beitrag erläutert, wann die gesetzliche Erbfolge nach englischem Recht eintritt und wer nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge von England und Wales erbt.

Anwendbarkeit des Rechts von England und Wales

Das im deutsch-englischen Erbfall betreffend die gesetzliche Erbfolge anzuwendende Recht wird nach dem internationalen Privatrecht (IPR) bestimmt. Aus der Sicht von England & Wales ist im Hinblick auf bewegliches Vermögen (movables) das Recht des letzten Domizils (domicile) und im Hinblick auf das unbewegliche Vermögen (immovables) das Belegenheitsrecht (lex rei sitae) im Grundsatz maßgebend. Aus Sicht eines deutschen Gerichts ist das anwendbare Erbrecht nach der Europäischen Erbrechtsverordnung zu bestimmen. Das Zusammenspiel von englischem IPR und Europäischer Erbrechtsverordnung erläutern wir in dem Beitrag Anwendbares Recht im deutsch-englischen Erbfall.

Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nach dem Recht von England und Wales

Die gesetzliche Erbfolge ist im Administration of Estates Act i.d.F. des Intestates Act 1952 (nachfolgend AEA) geregelt. Sie tritt ein, wenn

Gesetzliches Erbrecht in England & Wales

Zu unterscheiden sind folgende Personengruppen: 

  • überlebender Ehegatte;
  • überlebende Abkömmlinge;
  • überlebende Eltern;
  • überlebende vollblütige Geschwister; und
  • überlebende entferntere Verwandte, 46 AEA. 

Gesetzliche Rechte des Ehegatten nach englischem Recht

Hinterlässt weder Abkömmlinge noch Eltern oder vollblütige Geschwister, erhält der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass (residuary estate). Voraussetzung für das Ehegattenerbrecht ist, dass der Ehegatte den Erblasser mindestens 28 Tage überlebt (s. 46 (2) (a) AEA), die Ehe nicht rechtskräftig geschieden ist und ein Gericht nicht die Trennung durch Beschluss festgestellt hat. 

Hinterlässt der Erblasser neben dem Ehegatten auch eine oder mehrere Abkömmlinge, erhält er vorab die persönlichen Gegenstände (personal chattels), s. 46 (1) AEA. Hierzu gehören alle beweglichen im Haushalt oder sonst persönlich genutzten Gegenstände (z.B. PKW, Porzellan, Silberbesteck, Bilder, Bücher, Schmuck, Möbel), aber nicht Geld/Geldanlagen oder beruflich genutzte Gegenstände, s. 55 (1) x A.E.A. Diese können auch das gesamte oder das wesentliche Vermögen ausmachen können. 

Daneben erhält er einen durch das Gesetz bestimmten Geldbetrag als gesetzliches Vermächtnis (statutory legacy), S. 46 (1) A.E.A. 1925.

Für Todesfälle ab dem 1.2.2020 beträgt diese £ 270.000 und für Todesfälle ab dem 26. Juli 2023 £ 322.000.

Der Betrag ist ab dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers bis zur Auszahlung mit 6 % jährlich zu verzinsen ist.

Der verbleibende Nachlass (residuary estate) wird in zwei Hälften geteilt: Die eine Hälfte erhalten die Abkömmlinge. An der anderen Hälfte erwirbt der überlebende Ehegatte ein lebenslanges Nutzungsrecht (life interest). Innerhalb einer Frist von zwölf Monaten, gerechnet ab der Bestellung des Nachlassabwicklers kann der Ehegatte verlangen (Wahlrecht), dass

  • er an Stelle des Nutzungsrechts (life interest) einen Einmalbetrag erhält (Kapitalisierung des Nutzungsrechts) und/oder
  • das Familienheim (dwelling house) gegen Verrechnung des Verkehrswertes mit seinen erbrechtlichen Ansprüchen übertragen wird.

Bei Erbfällen ab dem 1. Oktober 2014 erhält der überlebende Ehegatte neben den Abkömmlingen eine Hälfte des Nachlasses zum Vollrecht. 

Wählt der Ehegatten, die Kapitalisierung des Nutzungsrechts, können die Abkömmlinge sofort über ihren Anteil frei verfügen. Andernfalls verwaltet der Nachlassabwickler (personal representative) den Anteil treuhänderisch ("in Trust") für die Abkömmlinge. 

Im Hinblick auf das Familienheim ist zu berücksichtigen, dass bei gemeinschaftlichem Eigentum mit Anwachsungsrecht auf den Tod (joint tenancy with the right of survivor) der Anteil des Erblassers auf den überlebenden Ehegatten auf den Tod übergeht (weiterführende Informationen hierzu finden Sie unter Joint Tenancy bei Grundvermögen in England). 

Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, aber Eltern, Geschwister oder deren Abkömmlinge, so erhält der Ehegatte

  • die persönlichen Gegenstände (personal chattels),
  • einen bestimmten Betrag als gesetzliche Vermächtnis (statutory legacy) und
  • die Hälfte des Restnachlasses zur freien Verfügung (absolute interest).

Bei Erbfällen ab dem 1. Oktober 2014 erhält der überlebende Ehegatte (bei Fehlen von Abkömmlingen) den gesamten Nachlass.  

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und Ehegatten

Eine eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft (civil partnership) hat im Vereinigten Königreich nach dem  Civil Partnership Act 2004 die gleichen Rechte auf den Tod des Partners wie ein Ehegatte.  Durch den Marriage (Same Sex Couples) Act 2013 wurde für die Zeit ab März 2014 daneben auch die Ehe von gleichgeschlechtlichen Partnern erlaubt. 

Gesetzliches Erbrecht der Abkömmlinge in England

Hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten, aber Abkömmlinge, erhalten diese den gesamten Nachlass. Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind vor dem Erblasser verstorben, wird dessen Teil auf seine Kinder zu gleichen Teil verteilt. Ist der Abkömmling minderjährig und unverheiratet, verwaltet ein Treuhänder (trustee) den Nachlass. Dieser kann dem Abkömmling

  • die persönlichen Gegenstände (personal chattels)  zur Nutzung überlassen
  • aus dem Einkommen Unterhalt zahlen oder
  • aus dem Kapital Vorschüsse zahlen (z.B. für die Ausbildung).  

Gesetzliches Erbrecht der Eltern

Hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten und keine Abkömmlinge, aber beide Elternteile, so erhalten diese den gesamten Nachlass zu gleichen Teil. 

Hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten und keine Abkömmlinge, aber einen Elternteil, so erhält dieser den Nachlass alleine. 

Neues Recht: Bei Erbfällen vor dem 1. Oktober 2014 hatte der Vater des Kindes, der nicht mit der Mutter verheiratet war, kein Erbrecht. Für Erbfälle ab dem 1. Oktober 2014 besteht ein Erbrecht, wenn der Vater in der Geburtsurkunde benannt ist. 

Erbrecht der weiteren Verwandten

Hinterlässt der Erblasser keinen Ehegatten, keine Abkömmlinge und keinen Elternteil, so ist der Nachlass nach folgender Ordnung zu verteilen: 

  • Zunächst sind die vollblütigen Geschwister, ersatzweise deren Abkömmlinge, berechtigt;
  • in Ermangelung berechtigter vollblütiger Geschwister sind halbblütige Geschwister, ersatzweise deren Abkömmlinge, berechtigt;
  • in Ermangelung von berechtigten Geschwistern sind die Großeltern,berechtigt;
  • in Ermangelung von berechtigten Großeltern sind die vollblütigen Onkel und Tanten, ersatzweise deren Abkömmlinge, berechtigt;
  • in Ermangelung von vollblütigen Onkel und Tanten sind die halbbürtigen Onkel und Tanten berechtigt.

Erbenloser Nachlass

In Ermangelung oben stehender Personen, gehört der Nachlass der Krone (bona vacantia).

Verfahren zur Nachlassregelung in Großbritannien bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Recht von England und Wales

Die Verteilung an die Erben erfolgt in der Regel zum Abschluss der Nachlassabwicklung (probate administration) durch den Nachlassabwickler (personal representative). Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Probate und Administration - das Verfahren zur Abwicklung eines Nachlasses in England und Wales.

Verfahren zur Nachlassregelung in Deutschland bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Recht von England und Wales

Wenn das Recht von England und Wales anwendbar ist, ist bei gesetzliche Erbfolge in der Regel ein Fremdrechtserbschein erforderlich. Gerne vertreten unsere deutschen Fachwanwälte für Erbrecht Sie bei der Beantragung eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnis bei Anwendbarkeit des Rechts von England und Wales. Hierzu verweisen wir auf Vertretung in Verfahren zur Erlangung eines deutschen Erbscheins oder deutschen Testamentsvollstreckerzeugnisses

 

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