Probate und Administration - das Verfahren zur Abwicklung eines Nachlasses in England und Wales

Als englische Anwältin (Solicitor England & Wales) und Spezialistin für Nachlassverfahren in England und Wales haben ich hunderte von Nachlassverfahren in England und Wales geführt. Der Beitrag zeigt die Grundzüge des nicht-streitigen englischen Nachlassverfahrens auf und verweist auf weiterführende Informationen.

Einführung

Umfang der Darstellung

Die Darstellung konzentriert sich auf das Verfahren zur Abwicklung des Nachlasses (probate and administration). Zu weiteren Fragen des Erbrechts von England und Wales und zu deutsch-englischen Erbfällen verweisen wir auf den einführenden Beitrag Englisches Erbrecht - Einführung und die darin verlinkten vertiefenden Informationen. 

Grundlegendes 

Beim Tod einer Person mit Vermögen in England und Wales, geht der Nachlass (estate) auf den Nachlassabwickler (personal representative) über, der den Nachlass unter Aufsicht des zuständigen Nachlassgerichts abwickelt. 

Das Verfahren gliedert sich in zwei Abschnitte:

  • Die Bestellung des Nachlassabwicklers und
  • die eigentliche Nachlassabwicklung (administration of the estate). 

Anwendbares Recht

Englische Gerichte wenden im Hinblick auf die Nachlassabwicklung (estate administration) das Recht des Landes, von dessen Gerichten der Nachlassabwickler seine Ernennung bzw. Bestätigung erhält, an. Bestellt ein englisches Gericht einen Nachlassabwickler, ist daher betreffend seine Befugnisse, das Verfahrensrecht und bestimmte andere Gesichtspunkte englisches Recht anzuwenden. Im Hinblick auf die Verteilung des Nachlasses (distribution), also die Frage, wer etwas aufgrund testamentarischer oder gesetzlicher Erbfolge erhält, ist hingegen das anwendbare Recht anders zu bestimmen (siehe hierzu den Beitrag Internationales Erbrecht - England).

Rechtsgrundlagen

Das Nicht-Streitverfahren ist im Non-Contentious-Probate-Rules 1987 (nachfolgend NCPR) und dem Administration of Estates Act 1925 (AEA 1925) geregelt.

Erfordernis eines Probate Verfahrens

Ein Probate-Verfahren ist zu führen, wenn es Vermögen in England oder Wales gibt, welches in den Nachlass (estate) des Verstorbenen gefallen ist. Hierzu gehört nicht Vermögen, welches in anderer Weise übergeht, z.B. joint tenancy.

Anerkennung eines deutschen Erbscheins in England und Wales

Anders als Zeugnisse von Commonwealth Staaten kann ein deutscher Erbschein nicht anerkannt (resealed) werden.

Bestellung des Nachlassabwicklers

Das Verfahren zur Bestellung des Nachlassabwicklers ist davon abhängig, ob durch Testament ein Nachlassabwickler bestimmt wurde.

Der Erblasser hat ein Testament hinterlassen und einen Nachlassabwickler bestimmt

Wenn der Erblasser ein Testament hinterlassen hat und darin eine Person als Nachlassabwickler (executor) bestimmt, ist der benannten Person aus Antrag ein Zeugnis über sein Verwaltungsrecht (Grant of Probate) zu erteilen. 

Der Antrag ist mittels eines Formblatts zu stellen. Der Antrag ist zum Nachlassgericht (probate registry) zu senden. Beizufügen sind

  • eine Sterbeurkunde (death certificate),
  • das Original des Testaments und
  • wenn eine UK-Nachlasssteuererklärung (Inheritance Tax Return) einzureichen ist, den vom Finanzamt ausgestellte Zugangscode (HMRC unique code).

Hinweis: Fällt UK Nachlasssteuer (UK inheritance tax) an, wird das Zeugnis des Nachlassabwicklers (grant of representation) erst erteilt nachdem die UK Nachlasssteuer gezahlt wurde. Informationen zur UK Nachlasssteuer finden Sie in unserem Beitrag Erbschaftssteuer und Nachlasssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland).

Das Gericht prüft, ob das Testament wirksam errichtet und nicht widerrufen wurde. Hierzu kann es eidesstattliche Versicherungen verlangen. Ist ausländisches Recht anzuwenden, ist dieses durch eine Eidesstattliche Versicherung zum fremden Recht (Affidavit of Foreign Law) nachzuweisen, 19 NCPR. Ist das Testament im Ausland zu Gericht gereicht und daher nicht verfügbar, sollte eine gerichtlich beglaubigte Kopie und das ausländische Probate (oder entsprechendes Dokument) vorgelegt werden. 

Kommt das Gericht zur Überzeugung, dass die Voraussetzungen vorliegen, wird der  Grant of Probate erteilt. Mit der Erteilung des Grant wird das Testament ein öffentliches Dokument. Über die Webseite des UK  kann das Zeugnis (Grant) nebst Testament nun gesucht werden. Wurde eine Dauersuche (standing search) vor weniger als 6 Monaten beantragt, erhält der Antragsteller automatisch Kopie. 

Gegen die Erteilung des Grant of Probate kann mittels des Formulars PA 8 A Einspruch (caveat) eingelegt werden. Der Einspruch hat zur Folge, dass der Grant of Probate 6 Monate (ggf. zu verlängern) nicht erteilt werden darf, Sec. 44 (3) (a) NCPR Ein Einspruch kann z.B. sinnvoll sein, wenn

  • Zweifel an der Richtigkeit des Testaments bestehen,
  • es unklar ist, ob es ein Testament oder weitere Testamente gibt,
  • unklar ist, ob dem Antragsteller das Antragsrecht zusteht,
  • mehrere Personen ein Probate beantragen oder
  • Zweifel an der Eignung des Antragstellers bestehen. 

Der Erblasser hat kein Testament hinterlassen

Hat der Erblasser kein (wirksames) Testament hinterlassen wird ein „grant of letters of administration“ beantragt, gemäß Rule 22(1) NCPR. Die Rangfolge richtet sich nach der gesetzlichen Erbfolge gemäß Section 46 Administration of Estates Act 1925 und ist wie folgt:

  • der Ehegatte;
  • die Kinder des Erblassers und Abkömmlinge vorverstorbener Kinder;
  • die Eltern;
  • die vollbürtigen Geschwister bzw. Abkömmlinge vorverstorbener Geschwister;
  • die halbbürtigen Geschwister bzw. deren Abkömmlinge;
  • die Großeltern;
  • Onkel und Tanten bzw. deren Abkömmlinge
  • halbbürtige Onkel und Tanten bzw. deren Abkömmlinge.

Das Gericht entscheidet über die Person des Nachlassabwicklers (administrator) durch Beschluss (order).

Mit Ernennung hat der Nachlassabwickler (administrator) die gleichen Rechte wie der durch Testament bestimmte Nachlassabwickler (executor). 

Der Erblasser hat ein Testament errichtet aber keinen Nachlassabwickler bestimmt 

Hat der Erblasser ein Testament hinterlassen, aber keinen Nachlassabwickler benannt, der Willens oder in der Lage ist, die Nachlassabwicklung zu übernehmen, wird der Nachlassabwickler (administrator) gemäß Rule 20 NCPR bestimmt. Die Rangfolge wer zum Nachlassabwickler ernannt werden kann ist wie folgt:

  • Zunächst können testamentarisch auf den Restnachlass begünstigte Personen (residuary legatees oder devisee), die den Nachlass nur treuhänderisch (in trust) für andere halten, verlangen ernannt zu werden;
  • sodann haben sonstige Begünstigte auf den Restnachlass (residuary legatees oder devisee) das Recht, wobei die Begünstigten, die den Nachlass zunächst nur auf Lebenszeit erhalten (life interest), denen vorgehen, denen der Nachlass danach letztlich verbleiben soll;
  • Kommen auch diese nicht zum Zug, kann der Nachlassabwickler eines (vorverstorbenen) residuary legatee, dem der Nachlass letztlich verbleiben sollte, Ernennung verlangen;
  • Schließlich kommen sonstige Begünstigte, denen einzelne Nachlassgegenstände zugewandt wurden, und jeder Gläubiger des Erblassers bzw. deren personal representatives zum Zug.

Hinweis: War das Domizil (domicile) des Erblassers nicht England und Wales, kann der Registrar auch das Zeugnis (Grant) an die im Domizil-Staat zur Abwicklung berufene Person erteilen, Sec. 30 NCPR.

Das Gericht entscheidet über die Person des Nachlassabwicklers (administrator) durch Beschluss (order). Mit Ernennung hat der Nachlassabwickler (administrator) die gleichen Rechte wie der durch Testament bestimmte Nachlassabwickler (executor). Zum Nachweis seiner Befugnisse wird ihm  ein Zeugnis (Grant of Letters of Administration) erteilt. 

Abwicklung des Nachlasses in England

In Gewahrsamnahme des Nachlasses

Nach der Erteilung des Grant soll der Nachlassabwickler den Nachlass (estate) unverzüglich in Gewahrsam nehmen.

Tilgung der Bestattungkosten, Erblasserschulden und Kosten der Nachlassabwicklung

Er soll aus dem Nachlass zahlen

  • die Bestattungskosten (funeral expenses),
  • Kosten der Nachlassabwicklung (administration expenses),
  • Schulden des Erblassers (debts) und
  • andere Verbindlichkeiten, Sec. 33 AEA 1925.

Zur Ermittlung von Gläubigern soll er im öffentlichen Anzeiger (The Gazette) einen Gläubigeraufruf (Sec. 27 Trustee Act 1925 notices) veröffentlichen. Des Weiteren soll er in einer lokalen Zeitung wo der Erblasser gewohnt, gearbeitet oder Grundvermögen besaß einen Gläubigeraufruf veröffentlichen.

Gläubiger müssen mindestens zwei Monate nach Erscheinen der Anzeige Zeit haben, um ihren Anspruch anzumelden. Während dieses Zeitraums darf keine Ausschüttung aus dem Nachlass vorgenommen werden.

Wenn solche Anzeigen korrekt geschaltet sind, bietet dies einen gewissen Schutz für die Nachlassabwickler. Wird später (nach Ablauf der Zweimonatsfrist) von einem unbekannten Gläubiger ein Anspruch geltend gemacht, sind sie nicht persönlich haftbar, und der Gläubiger kann, wenn eine Ausschüttung stattgefunden hat, bei den Begünstigten ihren Anspruch geltend machen.

Section 34(3) des Administration of Estates Act 1925 (AEA 1925) schreibt vor, dass das Vermögen des Verstorbenen zur Begleichung von Schulden usw. zur Verfügung steht, vorbehaltlich:

  • abgesicherte Gläubiger, und
  • einer gegenteiligen testamentarischen Verfügung.

Wurde das Vermögen des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten mit einer Schuld belastet, so haftet das Vermögen für die Begleichung dieser Schuld, sofern der Erblasser nicht eine gegenteilige Verfügung im Sinne von Section 35 AEA 1925 im Testament bekundet hat.

Bei nicht abgesicherten Gläubigern (wiederum vorbehaltlich ausdrücklicher testamentarischer Verfügung) ist die Reihenfolge, in der das Nachlassvermögen zu verwenden ist, in Section 34(3) und Teil II des First Schedule des AEA 1925 festgelegt.

Erklärung und Zahlung der UK-Nachlasssteuer 

Zu den Aufgaben des Nachlassabwicklers gehört es ferner die UK-Nachlasssteuer (UK inheritance tax) zu erklären und aus dem Nachlass zu zahlen. Insoweit verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer und Nachlasssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland).

Hat HMRC Rückfragen zur Erklärung, soll der Nachlassabwickler diese beantworten. Er sollte aber auch prüfen, ob eine Rückforderung von überzahlter Steuer in Betracht kommt (z.B. wenn sich die vorläufige Bewertung als zu hoch erweist). Vor Verteilung sollte er eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (tax clearance certificate IHT30) einholen. 

Erklärung der UK-Einkommensteuer für das Todesjahr

Für das Todesjahr muss er eine Einkommensteuererklärung für den Erblasser vorbereiten falls der Erblasser dies zu Lebzeiten tat. Ferner muss er die Einkünfte des Nachlasses in einer gesonderten Einkommensteuererklärung deklarieren wenn das Einkommen nicht unter der „de-minimis“ Summe ist.

Im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses kann er auch Nachlassgegenstände einschließlich Immobilien veräußern, Sec. 33 (1) AEA 1925.

Verteilung und Rechenschaft

Der nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten verbleibende Nachlass ist an die Begünstigten entsprechend der Regeln des Testaments oder der gesetzlichen Erbfolge zu verteilen. Wie lange es dauert bis der Nachlass verteilt wird, hängt von der Komplexität und Schwierigkeit der Abwicklung ab. Vor einem Jahr ist aber eine Verteilung in der Regel nicht geschuldet.

Der Nachlassabwickler hat die Pflicht über Ein- und Ausgaben Buch zu führen und einen Rechenschaftsbericht am Ende der Verwaltung (estate accounts) zu erstellen (Sec. 25 AEA 1925). Die Begünstigten des Restnachlasses (residuary beneficiaries) können Vorlage verlangen. Der Nachlassabwickler verlangt daher vor der Verteilung die Genehmigung des Rechenschaftsberichts und Entlastung. 

Der Rechenschaftsbericht sollte enthalten

  • eine genaue Beschreibung der Vermögensgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten mit Wertangaben per Todestag (wie in den Formularen PA1P/PA1A oder IHT400).
  • eine genaue Beschreibung des Einkommens und der gezahlten Steuern (nach Steuerjahr).
  • eine Darstellung der Gewinne und Verluste aus dem Verkauf von Vermögensgegenständen oder Begleichung von Schulden.
  • eine Aufstellung der erfüllten Vermächtnisse.
  • eine Aufstellung der Kosten der Nachlassabwicklung (administration expenses) einschließlich der Zahlungen für die IHT mit Zuordnung zu den Begünstigten.
  • Eine Aufstellung über das vor Verteilung verbleibende Vermögen bzw. Verbindlichkeiten.
  • Einen Plan über die Verteilung.

Oftmals genügen Rechenschaftsberichte diesen Anforderungen nicht. Wenn der Begünstigte in Ansehung der Mängel Zweifel hat, dass die Verwaltung und vorgesehene Verteilung wie geschuldet erfolgt bzw. erfolgen soll, sollte er den Nachlassabwickler um ergänzende Informationen und Erläuterung bitten.

Bei Laien-Nachlassabwicklern sind Mängel des Rechenschaftsberichts oft die Folge fehlender Erfahrung und Expertise. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein dem Nachlassabwickler Hilfestellungen zu geben, die es dem Laien-Nachlassabwickler ermöglichen einen akzeptablen Bericht vorzulegen.

Wenn sich die Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht ausgeräumt werden können, sollte eine gerichtliche Anordnung auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses und Rechenschaftsbericht beantragt werden (vgl. Sec. 25(b) AEA). Oftmals genügt auch die Drohung hiermit verbunden mit Hilfestellungen, um einem brauchbaren Bericht zu erhalten.

Wenn der Verdacht besteht, dass der Nachlassabwickler dem Nachlass Schaden zugefügt hat oder Vermögen veruntreut hat, kann auch ein Antrag auf Entlassung (Sec. 50 Administration of Justice Act 1985) der bessere Weg sein; allerdings sind die Kosten erheblich und die Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Entlassung. Daher sollte ein Entlassungsantrag nur das letzte Mittel sein.

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