Anwendbares Erbrecht betreffend die testamentarische Erbfolge
Keine einheitlichen Bestimmungen zur Ermittlung des anwendbaren Erbrechts
Da das UK nicht die Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) unterschrieben hat, ist das anwendbare Erbrecht gesondert aus englischer und deutscher Sicht zu prüfen.
Sicht der Gerichte von England & Wales
Zur Ermittlung des anwendbaren Erbrechts unterscheidet ein englisches Nachlassgericht zwischen dem beweglichen und unbeweglichen Nachlass:
- Bewegliches Vermögen (movables): Anzuknüpfen ist an das Recht des letzten Domizils (domicile) des Erblassers.
- Unbewegliches Vermögen (immovables). Anzuknüpfen ist an das Belegenheitsrecht (lex rei sitae).
Beispiel: Erblasser E, deutscher Staatsbürger, ist bei seinem Tod Eigentümer einer Wohnung in London, welche er gelegentlich nutzt. Sein dauerhafter Aufenthalt war hingegen in Berlin, Deutschland. Außerdem hat er ein Investmentkonto bei einer Bank mit Sitz in London. Aus Sicht eines englischen Gerichts wird die Wohnung in London nach englischem Recht vererbt. Hingegen wird aus englischer Sicht das Investmentkonto nach deutschem Recht beerbt.
Sicht deutscher Gerichte
Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 ist das anwendbare Erbrecht nach den Regeln der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) zu bestimmen. Danach wenden deutsche Gerichte das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts an, wobei ein Rückverweis des englischen Rechts (z.B. für Immobilien in Deutschland) angenommen wird.
Testamentarische Erbfolge im Erbrecht von England und Wales
Ist im Hinblick auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht von England und Wales zur Anwendung berufen, sollte sich der Berater einen Überblick über das englische Recht verschaffen. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Testamentarische Erfolge nach dem Recht von England & Wales.
Gesondertes Testament für England oder nur ein Testament?
Gesondertes Testament für das Vermögen in England - Vor- und Nachteile
In der Regel wird empfohlen, für England ein gesondertes Testament zu errichten. Hierfür spricht, dass
- sichergestellt ist, dass das Testament formal wirksam ist,
- das Original beim englischen Nachlassgericht eingereicht werden kann,
- eine Übersetzung ins Englische entbehrlich ist,
- das Testament auch dem Inhalt nach für ein englisches Nachlassgericht leichter verständlich ist und
- das englische Recht betreffend die Nachlassabwicklung besser berücksichtigt werden kann.
Gegen ein gesondertes Testament für England spricht, dass es leicht zu Widersprüchen zwischen dem "deutschen Testament" und dem "englischen Testament" kommen kann. Um dies zu vermeiden, muss der Anwendungsbereich der Testamente genau abgegrenzt werden, was bisweilen schwieriger ist als viele Berater meinen.
Beispiel: Erblasser E errichtet gesonderte Testamente für Deutschland und England. Unter "Anwendungsbereich" legt er im englischen Testament Folgendes nieder: "Dieses Testament ist für mein englisches Vermögen maßgeblich." Sein Nachlass umfasst unter anderem folgende Gegenstände: Aktien einer deutschen Bank, welche von einer englischen Bank verwaltet werden. Eine Forderung gegen einen Engländer mit Wohnsitz in Irland. Eine Immobilie in London, für welche eine deutsche Bank mit Sitz in Deutschland ein Hypothekendarlehen gewährt hat.
Ferner spricht gegen ein gesondertes Testament die Gefahr eines "versehentlichen Widerrufs" bei späterer Änderung eines Testaments.
Beispiel: A hat für Deutschland und England gesonderte Testamente errichtet. Kurz vor seinem Tod will er sein deutsches Testament ändern und Schreibt: „ich widerrufe meine vorherigen Testamente“. Dabei meint er sein deutsches Testament, nicht aber das englische Testament. Das Nachlassgericht wird nun zu prüfen haben, ob das englische Testament widerrufen wurde oder nicht. Dafür spricht der Wortlaut.
Größte Vorsicht ist geboten, wenn man das Vermögen nach Ländern unterschiedlichen Personen zuwendet.
Beispiel: Erblasser E wendet sein englisches Vermögen seinen Kindern zu und das deutsche Vermögen der neuen Lebensgefährtin. Die Kinder verlangen im Hinblick auf das deutsche Vermögen den Pflichtteil und argumentieren, dass sie in Deutschland enterbt wurden. Die Lebensgefährtin wendet ein, dass sie doch das englische Vermögen bekommen haben. Die Kinder meinen allerdings, da im Hinblick auf den "englischen Nachlass" englisches Erbrecht anzuwenden sei, sei dies egal.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffsverwendung von englischen Anwälten kritisch hinterfragt werden sollte: Ungewünschte steuerliche Wirkungen kann z.B. die Verwendung des Begriffs Trust haben.
Einheitliches Testament für Deutschland und England - Vor- und Nachteile
Rechtlich möglich ist es auch ein einheitliches Testament zu errichten. Ob dies zweckmäßig ist, ist allerdings eine andere Frage. Hiergegen spricht, dass
- im Erbfall ein englisches Gericht prüfen muss, ob das Testament in England der Form nach anerkannt wird,
- im Erbfall ein englisches Gericht eine eidesstattliche Versicherung eines deutschen Rechtsanwalts zum deutschen Recht (affidavit in law) verlangen wird,
- im Erbfall erklärt werden muss, warum das Original beim englischen Nachlassgericht nicht eingereicht werden kann,
- eine Übersetzung ins Englische erforderlich ist,
- das Testament auch englisches Recht, insbesondere betreffen die Nachlassabwicklung (administration) berücksichtigen muss und
- im Erbfall das englische Gericht sich mit den verwendeten Begrifflichkeiten auseinandersetzen muss.
Wenn man sich entscheidet, ein einheitliches Testament zu errichten, sollte man sich daher immer von einem Experten für englisches Erbrecht beraten lassen. Hierauf weisen Notare auch in aller Regel hin.
Testamentsersatzgeschäfte
Zur Nachlassplanung wird in England auch oft verwendet
- Treuhandvermögen (trust),
- ein gemeinschaftliches Konto mit Anwachsungsrecht auf den Tod,
- bei Grundvermögen: gemeinschaftliches Eigentum mit Anwachsungsrecht auf den Tod (joint tenancy).
Viele Trusts sind als Vermögensmasse ausländischen Rechts einzuordnen und unterliegen daher besonderen deutschen Steuergesetzes, die die Wahl eines solchen Trusts unzweckmäßig machen, wenn der Errichter (settlor) oder Treuhänder (trustee) ein Inländer ist. Hierz verweisen wir auf den Beitrag Besteuerung von Common-law Trusts in Deutschland.
Hingegen ist ein gemeinschaftliches Konto mit Anwachsungsrecht oder gemeinschaftliches Grundvermögen oftmals eine zweckmäßige Gestaltung, da dies die Nachlassabwicklung vereinfachen kann.
Allerdings sollte der Berater in diesem Fall unbedingt sicherstellen, dass das Testament mit bestehenden Testamentsersatzgeschäften abgestimmt ist. Andernfalls kann es leicht zu einer Verfälschung des Willens des Erblassers kommen.
Beispiel: E hat mit der B-Bank, Sitz London, vereinbart, dass das Guthaben des gemeinsamen Kontos auf seinen Tod der Mitkontoinhaberin, seiner Ehefrau zuwachsen soll. Im Testament wendet er ihr 1/2 des Nachlasses zu, wobei er nicht bedenkt, dass seine Ehefrau bereits "außerhalb des Nachlasses" bereits das 1/2 des Kontoguthabens erhält. Seine Kinder (aus erster Ehe) sind "not amused" und greifen das Testament an (was zu einem vom Erblasser nicht gewünschten Streit führt).
Lebzeitige Übertragung statt Testament
Oftmals wird eine lebzeitige Übertragung zweckmäßig sein, da Schenkungen, welche länger als 7 Jahre dem Tod vorausgehen, oftmals steuerfrei sind. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Schenkung einer Immobilie im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland.
Britisch Erbschaftsteuer
Bei Vermögen im UK ist oft die britische Erbschaftsteuer zu berücksichtigen. Da die Freibeträge der britischen Erbschaftsteuer niedrig und der Steuersatz der britischen Erbschaftsteuer mit 40 % sehr hoch ist, kann ansonsten eine erhebliche Steuer anfallen. Zur Berechnung verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland).
Fazit
Bei der Nachlassplanung sind viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wenn es Vermögen im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gibt. Es ist daher immer ratsam einen Rechtsanwalt mit Erfahrung mit deutsch-britscher Nachlassplanung zu konsultieren. Weitere Informationen über unser Dienstleistungsangebot finden Sie unter deutsch-englisches Erbrecht.
Glossar: Bewegliches Vermögen (movables); Domizil (domicile); unbewegliches Vermögen (immovables).