Grundlagen
Bevor darauf eingegangen wird, was bei der Errichtung eines Testaments für Kanada zu beachten ist, werden nochmals einige Grundlagen kurz skizziert. Ergänzend verweisen wir auf den Beitrag Kanadisches Erbrecht - Einführung und die weiterführenden Beiträge zum Recht von Ontario und British Columbia, die dort verlinkt sind.
Anwendbares Recht
Kanada ist ein Mehrrechtsstaat, d.h. jede Provinz hat ihr eigenes Erbrecht, welches sich zum Teil erheblich unterscheidet. Soweit nachfolgend von "kanadischem Erbrecht" gesprochen wird, dient dies zur Vereinfachung.
Aus kanadischer Sicht ist im Hinblick auf bewegliches Vermögen (movables) ist das Recht des letzten Domizils (domicile) des Erblassers anzuwenden und im Hinblick auf das unbewegliches Vermögen (immovables) ist das Belegenheitsrecht (lex rei sitae) anzuwenden.
Im Hinblick auf Fragen der materiellen Wirksamkeit (intrinsic validity) eines Testaments (z.B. Auslegung, Testierfähigkeit) gelten die gleichen Prinzipien - allerdings kommt es auf den Zeitpunkt der Errichtung des Testaments und nicht den Zeitpunkt des Todes an.
Eine Rechtswahl ist in der Regel unzulässig und eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO ist aus kanadischer Sicht unwirksam.
Typische Regelungen in einem "kanadischen Testament"
Nach kanadischem Recht ist der Erblasser - im Grundsatz - in der Gestaltung seines Testaments frei. Typischerweise finden sich in einem in Kanada errichteten Testament Regelungen zu Folgendem: typischerweise bestimmte Regelungen:
- wer einen bestimmten Gegenstand oder einen bestimmten Geldbetrag erhalten soll (specific gift);
- wer dasjenige erhalten soll, was nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten und besonderen Zuwendungen verbleibt (residuary gift);
- wer Nachlassabwickler (personal representative) sein und welche Befugnisse er haben soll.
Darüber hinaus sind aber natürlich weitere Verfügungen möglich.
Testamentsform in Kanada
In Kanada ist es üblich, ein Testament in der Form eines Zwei-Zeugen-Testaments zu errichten. Bei einem Zwei-Zeugen-Testament bezeugen mindestens zwei Personen die Echtheit des Testaments. In den meisten Rechtsgebieten ist es erforderlich, dass die Zeugen zeitgleich anwesend sein müssen und die Errichtung des Testaments durch den Erblasser (oder eine durch diese beauftragte Person) bezeugen. Ausgeschlossen sind oftmals Personen, welche durch das Testament begünstigt werden.
Hinweis: Testamente in der Form deutschen Rechts werden unter Umständen von manchen kanadischen Provinzen anerkannt. Allerdings ist dann im Erbfall der Nachweis zu erbringen, dass das Testament nach deutschem Recht wirksam errichtet wurde - was zu Verzögerungen und Kosten führt.
Alternativen zum Testament
In Kanada sind Alternativen zum Testament viel verbreiteter als in Deutschland. Insbesondere wird der Nachlass oft durch Folgendes geregelt:
- Anwachsungsrecht auf den Tod (Joint Tenancy),
- Todesfallbegünstigung bei einem RRIF oder RRSP,
- einen lebzeitigen Trust (living trust).
Besonderheiten deutsch-kanadischer Nachlassplanung
Bei der deutsch-kanadischen Nachlassplanung für Deutsche mit Vermögen in Kanada stellen sich einige spezifische Fragen. Insbesondere sollte besprochen werden, ob ein gesondertes Testament für Kanada errichtet werden soll ("kanadisches Testament") oder ein einheitliches Testament für das Vermögen in Deutschland und in Kanada. Ferner sind bei erheblichen Vermögenswerten in Kanada auch die steuerlichen Folgend des Todes zu besprechen.
Gesondertes Testament für Kanada oder "einheitliches Testament?
Kanadische Rechtsanwälte empfehlen in der Regel für das Vermögen in Kanada ein gesondertes Testament zu errichten; hierfür spricht, dass
- sichergestellt ist, dass das Testament formal wirksam ist,
- das Original beim kanadischen Nachlassgericht eingereicht werden kann,
- eine Übersetzung ins Englische entbehrlich ist,
- das Testament auch dem Inhalt nach für ein kanadischen Nachlassgericht leichter verständlich ist und
- zwingend betreffend die Nachlassabwicklung (administration) kanadisches Recht zu berücksichtigen ist.
Gegen ein gesondertes Testament für Kanada spricht, dass es bei fehlerhafter Abstimmung der Testamente im Erbfall zu Problemen kommen kann. Dies kann insbesondere zu Problemen im Hinblick auf die Berechnung des Pflichtteils führen.
Beispiel: Erblasser E wendet sein kanadisches Vermögen seinen Kindern zu und das deutsche Vermögen der neuen Lebensgefährtin. Die Kinder verlangen im Hinblick auf das deutsche Vermögen den Pflichtteil und argumentieren, dass sie in Deutschland enterbt wurden. Die Lebensgefährtin wendet ein, dass sie doch das kanadische Vermögen bekommen haben. Die Kinder meinen allerdings, da im Hinblick auf den "kanadischen Nachlass" kanadisches Erbrecht anzuwenden sei, sei dies egal.
Ferner kann bei mehreren Erben und unterschiedlicher Verfügungen im kanadischen und deutschen Testament unklar sein, welche Erben für Nachlassverbindlichkeiten und Steuern haften.
Empfehlung: Ein gesondertes Testament für Kanada sollte daher immer von einem Experten für internationales Erbrecht entworfen werden.
Auch spätere Änderung des "deutschen Testaments" und des "kanadischen Testaments" sollten immer mit einem Anwalt abgestimmt werden, da andernfalls die Gefahr eines "versehentlichen Widerrufs" besteht.
Beispiel: A hat für Deutschland und Kanada gesonderte Testamente errichtet. Kurz vor seinem Tod will er sein deutsches Testament ändern und Schreibt: „ich widerrufe meine vorherigen Testamente“. Dabei meint er sein deutsches Testament, nicht aber das kanadische Testament. Das Nachlassgericht wird nun zu prüfen haben, ob das kanadische Testament widerrufen wurde oder nicht. Dafür spricht der Wortlaut.
Rechtlich zulässig - aber weniger üblich - ist es ein einheitliches Testament zu errichten. Ob dies zweckmäßig ist, ist allerdings eine andere Frage. Hiergegen spricht, dass
- die Form des kanadischen Rechts zu wahren ist (was zu etwas mehr Aufwand führt),
- im Erbfall erklärt werden muss, warum das Original beim kanadischen Nachlassgericht nicht eingereicht werden kann (es genügt aber auch eine gerichtliche Kopie),
- im Erbfall eine Übersetzung ins Englische erforderlich ist,
- das Testament auch kanadisches Recht (z.B. Nachlassabwicklung) berücksichtigen muss.
Empfehlung: Wenn man sich entscheidet, ein einheitliches Testament zu errichten, sollte man sich daher immer von einem Experten für deutsch-kanadisches Erbrecht beraten lassen. Hierauf weisen Notare auch in aller Regel hin.
Erbschaftsteuer und kanadische Gewinnsteuer
Unabhängig für welche Gestaltung man sich entscheidet, sollte bei substantiellem Vermögen auch die steuerliche Seite berücksichtigt werden.
Kanada erhebt zwar keine Erbschaftsteuer, auf den Tod kann aber kanadische CGT anfallen (siehe hierzu den Beitrag Kanada: Erbschaftsteuer und Steuern auf den Tod). Daher sollte bei Gestaltung des Testaments sorgfältig geprüft werden, ob durch geschickte Planung ein steuerlich positiver Effekt erzielt werden kann.